© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 49/22 / 02. Dezember 2022

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Der Currywurst den Garaus machen
Paul Rosen

Politiker und ihre Mitarbeiter bekochen zu dürfen, das war vor über zwei Jahrzehnten für Dienstleister eine Prestigefrage. Im damals frisch von Bonn nach Berlin gezogenen Bundestag machte der Dussmann-Konzern das Rennen. Der Name stand für Tatkraft und Erfolg deutschen Unternehmertums. Peter Dussmann startete 1963 in München mit einem Heimpflegedienst und expandierte später in die Bereiche Gebäudereinigung, Krankenhausverpflegung und Betriebskantinen. Heute zählt der Konzern 65.000 Mitarbeiter in 21 Ländern.

Den Bundestags-Auftrag hatte der 2013 verstorbene Geschäftsmann gern entgegengenommen. Immerhin werden rund 4.000 Essen mit drei Küchen in insgesamt sieben Verpflegungsstätten pro Tag ausgegeben. Die Küche hat einen guten Ruf, so daß auch viele Beschäftigte aus der Nachbarschaft zum Essen kamen. Zeitweilig galt die Bundestagskantine in der Wilhelmstraße als Betriebskantine des gegenüberliegenden ARD-Studios. 

Doch damit ist zum Jahresende Schluß. Das Dussmann-Management kündigte den Vertrag mit dem Bundestag und steigt aus der Parlamentsverköstigung aus. Schon seit Jahren stand das Unternehmen in der Kritik. Gewiß, es gibt wohl kaum jemanden, der nicht über Kantinen-Essen meckern würde, aber im Politik-Betrieb entwickelte sich eine Dauerkampagne gegen die Firma. 

Dabei gaben sich die Küchenchefs alle Mühe, abwechslungsreiche Speisekarten zu bieten, zum Beispiel eine grönländische Fischwoche. Das Salat-Buffet war riesig, täglich mehrere Sorten Gemüse sollten auch Vegetarier locken; mit Currywurst und Pommes wurden aber auch die Freunde deftiger Kost nicht vergessen. Fleischgerichte waren immer im Angebot.

Das war vielen, besonders den Freunden der Agrar- und Ernährungswende, ein Dorn im Auge: „Ich habe dort oft den Eindruck gehabt, als ob der Kantinenbetreiber aus München käme. Weil Weißwürste, Senftöpfe und dergleichen, das hat mich nicht angesprochen“, empörte sich Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD). In die gleiche Kerbe schlägt die Grünen-Politikerin Renate Künast mit ihrer Forderung, das Essen in der Kantine müsse gesünder, leckerer und nachhaltiger werden. Currywurst und Schnitzel hatte die Grünen-Politikerin dabei nicht im Sinn.

Unterstützung bekamen diese Bestrebungen noch vom Personalrat des Bundestages, der von Dussmann geplante Preiserhöhungen mit seinem Einspruch blockierte. Neben den Belastungen durch Corona, als nur Essen zum Verzehr im Büro ausgegeben werden durfte, dürften aber auch Inflation und Personalmangel eine Rolle für die Kündigung gespielt haben.

So endet ein Erfolgsstück deutscher Unternehmens- und Eßkulturgeschichte. Der kleine Fall Dussmann im Bundestag steht beispielhaft für das ganze Land, in dem „Ernährungswender“ mit ihrem Haß auf Fleischgerichte die Deutschen zu Veganern umerziehen wollen.