© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 49/22 / 02. Dezember 2022

Ablehnung der Woche
Ohne einen Anwalt
Vincent Steinkohl

Der Volksmund weiß: „Vor Gericht und auf hoher See ist jeder in Gottes Hand“. Ein Funken Wahrheit steckt zwar in diesem Ausspruch, ganz korrekt ist er nicht. Niemand würde sich teure Anwälte leisten, wenn diese keinerlei Einfluß auf den Ausgang des Verfahrens hätten. Ein fähiger Advokat kann viel für seinen Mandanten bewirken, und sei es nur die Minderung einer Strafe. Das hat sich Michael W., Mitglied der „Letzten Generation“, wohl auch gedacht. Als sich der Klima-Kleber beim Prozeß im Amtsgericht Tiergarten in Berlin wegen Nötigung und Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte auf der Anklagebank wiederfand, nahmen neben ihm gleich drei Anwälte der besonderen Art Platz, berichtete die BZ. Eine davon war Mirjam Herrmann, die sich Ende Oktober dabei filmen ließ, wie sie in einem Potsdamer Museum ein Monet-Bild mit Kartoffelbrei bewarf. Die Richterin erkannte sie und fragte sichtlich verblüfft: „Sie wollen ihn verteidigen?“ Die Gefragte reagierte trotzig: „Er kann irgendwen wählen, ich studiere Jura.“ Ein Gleichgesinnter, der sich ebenfalls auf den Verteidigerplätzen niedergelassen hatte, hat nach eigener Aussage „ein paar Module Jura studiert“. Der Dritte im Bunde konnte sich gar nicht erst ausweisen, sein Paß sei „beim Landgericht in einer Akte“. Die Kartoffelbrei-Werferin gab zu bedenken, ihr „Engagement“ befähige sie erst recht zur Verteidigerin. Die zunehmend genervte Richterin sprach daraufhin ein Machtwort: „Dann wäre der Axtmörder der beste Verteidiger für den Serienmörder, weil er sich auskennt? Auf die Zuhörerbank, alle drei!“ Genutzt hat die loyale Unterstützung dem Angeklagten nicht, er wurde zu einer Geldstrafe von 1.800 Euro verurteilt, obwohl die Staatsanwaltschaft nur 1.350 Euro gefordert hatte. Auf hoher See hilft die treueste Crew nicht, wenn sie Löcher in den Rumpf bohrt.