© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 49/22 / 02. Dezember 2022

Deutsches Aktieninstitut schlägt steuerfreie Anlagesparkonten vor
Ein verspäteter Anfang
Thomas Kirchner

Vermögensanlage ist nicht Robert Habecks Stärke: „Ich verdiene super viel Geld. Ich kann es im Moment nicht ausgeben“, klagte der grüne Wirtschaftsminister in einem Zeit-Interview. Er erweist sich damit als typischer Deutscher, deren Naivität in Sachen Geld und Finanzen letztlich für ihr niedriges Durchschnittsvermögen verantwortlich ist. Mehr als die Hälfte der 40 Dax-Konzerne gehört dem Ausland – auch weil Gutverdiener ihr Geld auf dem Konto liegen lassen. In der volkswirtschaftlichen Theorie werden die Ersparnisse des einen zu Investitionen des anderen. Wenn keiner die Ersparnisse anlegt, hapert es bei den Investitionen. Das Deutsche Aktieninstitut (DAI) will nun Anlagemuffeln zu besserer Vermögensbildung verhelfen: durch steuerbegünstigte Anlagekonten. Auch höhere Freibeträge könnten helfen.

Im Ausland sind steuerfreie Rentensparkonten weit verbreitet. Weltspitze sind die Amerikaner, die in der Altersgruppe 65 bis 74 im Schnitt 426.000 Dollar in solchen Anlageformen besitzen, die es dort seit 1971 gibt. Bei Briten im Alter von 65 Jahren sind es immerhin noch 52.000 Pfund – bei durchschnittlichen Gesamtersparnissen von 270.000 Pfund. In Deutschland kommt diese Altersgruppe im Schnitt nur auf 120.000 Euro – Immobilien mit eingerechnet. Dabei versucht der Staat seit Jahrzehnten, eine „Aktienkultur“ zu etablieren. So warb in den neunziger Jahren der TV-Liebling Manfred Krug anläßlich der Telekom-Privatisierung für deren Aktien, doch dann stellte sich heraus, daß den Anlegern überteuerte Papiere wegen fehlbewerteter Immobilien aufgedrückt worden waren. Bei der Riester-Rente gibt es hohe Gebühren bei niedrigen Renditen, sie ähnelt eher einer Kapitallebensversicherung denn einem Aktiensparplan.

Die Ampel-Koalition will daher mit einer Aktienrente die umlagefinanzierten deutschen Sozialsysteme retten. Ansätze einer Kapitaldeckung sollen künftige Steuerzuschüsse begren­zen. Doch das ist keine Innovation, sondern lediglich das Eingeständnis, daß die Gesetzliche Rentenversicherung (GRV) den strengen Anforderungen für Kapitaldeckung privater Pensionskassen weit hinterherhinkt. Im öffentlich-rechtlichen Sektor sowie für ständische Versorgungswerke (Ärzte, Apotheker, Architekten, Notare, Anwälte, Steuerberater) gilt bereits ein Mischfinanzierungsverfahren aus Umlage- und Kapitaldeckung. Doch die für die GRV angepeilten zehn Milliarden Euro pro Jahr sind nur ein Tropfen auf den heißen Stein, aber immerhin ein verspäteter Anfang.

Andere Länder sind weiter: Japans Pensionsfonds für Staatsangestellte verfügt über 1,7 Billionen Dollar an Kapital. Insgesamt hatten Pensionskassen 2021 Reserven von 56 Billionen Dollar angehäuft. Der größte deutsche Pensionsfonds ist die Bayerische Versorgungskammer mit fünf Milliarden an Beiträgen und 107 Milliarden Euro Kapital, was weltweit nur für Rang 42 reicht. Als Vorbild der Aktienrente wird Schweden genannt, aber die Ähnlichkeit hört bei der Semantik auf. Denn Schweden ging den vom DAI vorgeschlagenen Weg individueller, steuerbegünstigter Sparkonten.

Doch mehr Eigenverantwortung und finanzielle Freiheit ist für die Ampel-Koalition undenkbar. Und bei neun bis zehn Prozent Inflation wird Habeck am Ende seiner Amtszeit am eigenen Leib erfahren, wie die Kaufkraft verfällt, wenn man Geld auf dem Konto liegen läßt. Ein Aktiensparplan, egal ob steuerbegünstigt für die Rente oder konventionell, ist auch für grüne Minister vorteilhaft.