© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 49/22 / 02. Dezember 2022

Ampel-Koalition läßt die Reform der Energiecharta scheitern
Klima, Klima über alles
Marc Schmidt

Der Irrsinn der Energiewende ist um eine Nuance reicher. Deutschland und sieben weitere EU-Staaten verlassen die Energiecharta, die 1991 zum Investitionsschutz initiiert wurde. Inzwischen 55 Mitgliedsstaaten und 20 weitere Ländern mit Beobachterstatus unterstanden dadurch einem Schiedsgerichtssystem. Und das kam tatsächlich zum Einsatz, etwa wenn deutsche Regierungen ausländische Kraftwerksbetreiber zwecks „Klimaschutz“ direkt oder durch teure Auflagen faktisch enteignet haben. So verklagte Vattenfall die Bundesrepublik wegen willkürlich verschärfter Umweltauflagen für das Kohlekraftwerk Moorburg vor dem Washingtoner Schiedsgericht ICSID und dem OVG Hamburg.

Diese Klagen führten zum Streit über die formale Rechtmäßigkeit der Schiedsgerichte. Die EU-Kommission begann eine Reform der Energiecharta auszuarbeiten, die im Ergebnis auch bei den Charta-Mitgliedern außerhalb Europas zustimmungsfähig gewesen wäre. Zur Freude der Klimaaktivisten lehnten jedoch EU-Parlament und EU-Rat diesen Reformvorschlag ab, so daß die Charta in ihrer bisherigen Form weiterbesteht. Diese wechselseitige Blamage europäischer Institutionen entfaltet ihre Wirkung allerdings erst durch den Austritt Deutschlands und weiterer europäischer Industrienationen. Die in der Charta verbleibenden Staaten orientieren sich nun um: Eine Mehrheit wird sich der Volksrepublik China zuwenden – als Lieferanten für neue Kraftwerke und Käufer ihrer fossilen Rohstoffe und seltenen Erden.

Und warum das ganze Theater? Die Neufassung der Energiecharta hätte Investitionen in „fossile“ Kraftwerke nur noch zehn statt wie bisher 20 Jahre geschützt. Da die Ratifizierung von Charta-Änderungen bisher im Schnitt zwölf Jahre dauerte, hätte sich der Investitionsschutz praktisch auf bis zu 22 Jahre verlängern können. Eine solche Planungssicherheit für die Wirtschaft bei genehmigten Energieinvestitionen ist allerdings mit einem klimapanischen Ampel-Kabinett nicht verhandelbar. Der einstige Exportweltmeister Deutschland steigt lieber durch Symbolpolitik beim Investitionsschutz zukünftig freiwillig in die Liga der korrupten Bananenrepubliken ab. Denn für bestehende Investitionen, die vor dem Austritt getätigt worden sind, gelten die 20 Jahre Schiedsgerichtsbarkeit auch nach dem wohlfeilen Austritt.