© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 49/22 / 02. Dezember 2022

Keine Mathe-Asse
MINT-Herbstreport 2022: Die deutsche Wirtschaft sucht nach jungen Ingenieuren, Informatikern und Technikern
Fabian Schmidt-Ahmad

Deutschland, die einstige Wissensfabrik der Welt, hat immer mehr Schwierigkeiten mit dem Nachwuchs in Schlüsseltechnologien. In drei von vier Fällen hatten Firmen 2021 große Schwierigkeiten, eine Stelle im IT-Bereich zu besetzen, wie eine Auswertung des Statistischen Bundesamts ergab. Damit hat sich eine bereits abzeichnende Krise noch einmal drastisch verschärft. 2016 war es noch etwa jede zweite Stelle, 2019 bereits zwei von drei Stellen. Gleichzeitig nimmt die Cyberkriminalität und Unternehmensspionage zu: 15 Prozent der Firmen hatten voriges Jahr solche Probleme – deutlich mehr als drei Jahre zuvor.

Hier dürfte sich eine Bildungspolitik rächen, die einen „Wasserkopf“ von Politologen, Kulturwissenschaftlern, Genderforschern & Co. heranzüchtet, aber die naturwissenschaftlichen Fächer sträflich vernachlässigt hat. Eine aktuelle Erhebung zu den Kompetenzen von Viertkläßlern in Mathematik zeigt innerhalb von zehn Jahren gravierende Verschlechterungen bei den Durchschnittskompetenzen – und das bei deutschen Kindern ohne Zuwanderungshintergrund ebenso wie bei der ersten und zweiten Einwandergeneration. Zugleich geht die Zahl der Studienanfänger in den Bereichen Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik/Ingenieurwissenschaften deutlich zurück: Zum Semesterbeginn 2016/17 waren es noch 198.000, im Studienjahr 2021/22 nur noch 172.000.

Die Folgen veranschaulicht der aktuelle „MINT-Herbstreport 2022“ des Kölner Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) für den Arbeitgeberverband BDA und die Unternehmervereinigung Gesamtmetall. Den Firmen fehlten demnach im Oktober 326.100 Fachkräfte. Und der Essener Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft prognostiziert alleine für die IT-Branche bis 2026 einen zusätzlichen Bedarf von 780.000 Informatikern. Demgegenüber stehen lediglich 40.000 Personen jährlich, die ein Studium im IT-Bereich abschließen. Eine Fehlentwicklung, die wohl nicht zuletzt auch ideologischer Natur ist. Das läßt sich auch an den Lösungsvorschlägen ablesen, die angeführt werden.

Durchgequoteter Abstieg in die ökonomische Bedeutungslosigkeit?

So forderte der Stifterverband erneut, die MINT-Berufe attraktiver für Frauen zu machen. Bisher stellten sie hier nur 15 Prozent der Beschäftigten. In die gleiche Kerbe haut Christina Ramb vom BDA: Zwar sei es „erfreulich“, daß der Frauenanteil leicht gestiegen sei, aber damit könne man sich nicht zufriedengeben, man müsse die „Anstrengungen verstärken, Mädchen und junge Frauen für MINT zu begeistern“. Auch die Ampel-Koalition setzt auf neue Förderprogramme, Quoten & Co. – wenn Mädchen und Frauen mit hohem Aufwand gefördert werden, fehlen zwangsläufig die Ressourcen für die oft technikbegeisterten Jungs. Und das ist gefährlich. Denn die Gender-These lautet: Frauen strömen zum gleichen Teil wie Männer in MINT-Berufe, wenn sie nicht durch Vorurteile oder anderes vergrault würden.

Diese Annahme entbehrt jeder Grundlage. So ist im Iran der Frauenanteil in MINT-Fächern um ein Mehrfaches höher, bei Informatik stellen Irannerinnen sogar mehr als die Hälfte der Studenten. Das liegt nicht an der Frauenförderung in der Islamischen Republik, sondern an ihrem Ausbleiben. Eine Studentin in Deutschland kann sich entscheiden, ob sie Germanistik oder Maschinenbau studiert. Diese Wahl hat eine Iranerin aus gehobenem Hause nicht. Sie muß möglichst schnell in einen produktiven Beruf aufsteigen, um sich so ihre Selbständigkeit auch nach Verheiratung zu sichern. Die relative Armut eines Staates, der sich kein stehendes Heer an Genderforschern halten kann, tut ihr übriges.

Wenn aber Frauen MINT-Berufe aus freier Entscheidung meiden, wirkt sich eine Förderung bis hin zu einer Quote verheerend aus. Denn damit untergräbt man das Leistungsprinzip, drängt Unfähige in Schlüsselpositionen, deren Fehlentscheidungen durch die verbliebenen Leistungsträger kompensiert werden müssen, ohne daß diese noch eine Chance auf beruflichen Aufstieg haben. Damit sinkt aber die Produktivität insgesamt. Die Roßkur, die Elon Musk dem IT-Untermnehmen Twitter derzeit unterzieht, dürfte vor allem dazu dienen, eine solche Fehlentwicklung zu korrigieren. Nicht von ungefähr sind es gerade hochbezahlte Frauen ohne Ingenieursabschluß und „woke“ Männer, die bei Twitter ihren Posten räumen müssen. Wenn dadurch der Frauenanteil sinkt, ist das in diesem Fall gleichbedeutend mit einer Entideologisierung und damit Produktivitätssteigerung. Leistung statt Quote, unabhängig vom Geschlecht – ein Vorbild für Deutschland?

In der durchideologisierten deutschen Politik dürfte eher ein durchgequoteter Abstieg in die wirtschaftliche Bedeutungslosigkeit hingenommen werden, als von Wuschvorstellungen abzuweichen. Oder Deutschland gewährt einfach jeder iranischen MINT-Studentin, die öffentlich ihr Kopftuch verbrennt, politisches Asyl – und nicht abenteuerlustigen jungen Männern ohne Berufsabschluß, die künftig Bürgergeld bekommen. Das sollte die feministische Linke sowie BDA und Gesamtmetall gleichermaßen erfreuen. So steigt der Frauenanteil in der Tech-Branche – ganz ohne Quote.

Und in noch einer Hinsicht übertriff die Iranerin die Produktivität der deutschen Frau – bei der Geburtenrate. Es ist ein sozialistischer Aberglaube, eine Quote würde die Produktivität steigern. Tatsächlich gilt das eherne kapitalistische Gesetz: Konkurrenz belebt das Geschäft. Manchmal auch im Verhältnis der Geschlechter.

„MINT-Herbstreport 2022“: www.iwkoeln.de

Foto: Jungingenieurin bei Siemens Energy: Zu viele Politologen und Genderforscherinnen?