© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 49/22 / 02. Dezember 2022

CD-Kritik: Bruce Springsteen – Only the Strong Survive
Schlechte Kopien
Thorsten Thaler

Kürzlich lief im Fernsehen die Dokumentation „Coversongs für die Ewigkeit“. Dort und auf zahllosen Internetseiten immer wieder genannt werden zum Beispiel „With a Little Help from My Friends“ (Beatles/Joe Cocker), „Tainted Love“ (Gloria Jones/Soft Cell), „Hurt“ (Nine Inch Nails/Johnny Cash) und „Nothing Compares 2 U (Prince/ Sinéad O’Connor) – allesamt Titel, deren Coverfassungen weit populärer sind als die Urspungsversionen. Umgekehrt wimmelt es in der Musikwelt jedoch erheblich mehr von Aneignungen, die deutlich schlechter sind als die Originale, mindestens aber überflüssig.

Ein solches Album hat jetzt kürzlich zum Leidwesen vieler seiner Fans Bruce Spingsteen vorgelegt. Ausgerechnet jener Mann also, über den ein Kritiker vor Jahrzehnten den prophetischen Satz schrieb, er habe „die Zukunft des Rock’n’Roll gesehen“, hat nun als mittlerweile 73jähriger ein Werk mit gleich fünfzehn alten Soul-Klassikern veröffentlicht. Für Springsteen mag es ein Herzensanliegen gewesen sein, Lieder zu covern, mit denen er aufgewachsen ist. Aber braucht das seine Gemeinde? Am gefälligsten gerät ihm noch „I Wish It Would Rain“ (1967) von The Temptations. Aber was, bitte schön, sollen Adaptionen von beschwingten Titeln wie „The Sun Ain’t Gonna Shine Anymore“ (1966) von den Walker Brothers, „Someday We’ll Be Together“ (1969) von dem Damen-Trio Supremes oder erst recht das altersmäßig jüngste Stück, „Nightshift“ (1985) von den Commodores? Vor der Ewigkeit haben diese Coverversionen definitiv keinen Bestand.

Bruce Springsteen Only the Strong Survive Columbia International (Sony Music) 2022  https://brucespringsteen.net