© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 49/22 / 02. Dezember 2022

Filmkritik Ausgestoßen
Auf der Flucht durch Belfast
Werner Olles

Die treibende Kraft hinter dem Aufschwung des britischen Nachkriegsfilms war der Produzent Arthur Rank, dessen Produktionsfirma nicht nur die großen Shakespeare-Ausgaben zu verdanken waren, sondern auch so außergewöhnliche Filme wie Carol Reeds „Ausgestoßen“ („Old Man Out“, 1946) und „Der dritte Mann“ („The Third Man“, 1949).

In „Ausgestoßen“ plant die Widerstandsgruppe IRA einen Banküberfall in Belfast. Ihr Anführer Johnny McQueen (James Mason) und seine Kameraden wollen sich durch den Bankraub die finanziellen Mittel verschaffen, um den Kampf gegen die britische Armee, die Nordirland besetzt hält, führen zu können. Johnny versteckt sich bis zum Tag des Überfalls bei der IRA-Sympathisantin Kathleen Sullivan (Kathleen Ryan) und ihrer Mutter. Bei dem Bankraub erschießt er einen ihn angreifenden Angestellten, kann jedoch selbst schwer verletzt entkommen. Doch die Engländer sind ihm dicht auf den Fersen, und es beginnt eine Jagd auf Johnny, die ihn quer durch das nächtliche Belfast treibt. Die IRA versucht ihn zu unterstützen und in Sicherheit zu bringen. Schließlich gelingt es den Polizisten jedoch, ihn zu stellen … 

„Ausgestoßen“ ist vor allem ein Film über die Sinnlosigkeit des Tötens. Zwar ist Johnny zu dem Mord gezwungen worden, aber im Grunde hat er sich dabei auch selbst getötet. Die Handlung von Carol Reeds Film folgt dem inneren Zerfall eines Menschen, der sich gegen das Leben vergangen hat. Besonders deutlich wird dies bei seiner Flucht, auf der er eigentümlichen Menschen begeg-net. In dieser Beziehung handelt „Ausgestoßen“ genau wie Reeds Nachfolgefilm „Der dritte Mann“ in höherem Maße von der Relativität und Zerbrechlichkeit des Daseins. 

Basierend auf dem Roman „Der Terrorist“ („Old Man Out“) von F.L. Green, der auch das Drehbuch schrieb, erhielt der Film 1948 eine Oscar-Nominierung für den besten Schnitt (Fergus McDonell) und wurde im gleichen Jahr mit dem British Film Academy Award als bester Film ausgezeichnet. Tatsächlich schuf Carol Reed nicht nur ein Meisterwerk der dramaturgischen Spannung und Dynamik, sondern auch ein cineastisches Denkmal gegen die Sinnlosigkeit des Terrors und Bürgerkrieges. Hervorzuheben ist die überzeugende Darstellung von James Mason und die Kameraarbeit von Robert Krasker, der die Faszination des nächtlichen Belfast hervorragend einfängt.

DVD: Ausgestoßen. Pidax Filmklassiker, 2022, Laufzeit etwa 111 Minuten