© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 49/22 / 02. Dezember 2022

Umgelenkte Wissenschaftler
Laut einem US-Senatsbericht war Corona „höchstwahrscheinlich“ die Folge eines Laborunfalles
Mathias Pellack

Die Führer durch die Unwägbarkeiten der Corona-Pandemie ziehen sich zurück. Der 50jährige Virologe Christian Drosten verläßt Twitter, und der 81jährige Direktor der US-Gesundheitsbehörde NIAID, Anthony Fauci, beendet seine 38jährige dortige Leitungstätigkeit. Während Fauci noch mal zu Impfungen gegen Corona aufrief, sagte Drosten resigniert der Zeit: „Das digitale Leben interessiert mich nicht mehr.“ Und all das just zu einem Zeitpunkt, da Journalisten auf dem sozialen Netzwerk Verabredungen zum Abstreiten der Labor-Theorie mit anderen Forschern weltweit veröffentlichten.

„Wir verurteilen auf das schärfste solche Verschwörungstheorien“

Die jüngste E-Mail-Veröffentlichung legt nahe, daß der Institutsdirektor an der Charité in Berlin Anfang des Jahres in einer eidesstattlichen Erklärung wohl nicht die ganze Wahrheit gesagt hat. Drosten gab damals in einem Rechtsstreit mit dem Hamburger Physikprofessor Roland Wiesendanger zu Protokoll, er habe nie versucht, einen möglichen Laborurspung des Sars-CoV-2-Virus zu vertuschen. Wiesendanger hatte Drosten das vorgehalten und einer Gruppe von Wissenschaftlern um ihn eine Einengung des Feldes redlicher Wissenschaft vorgeworfen. Er sprach sogar von Vertuschung.

Die brisanteste E-Mail-Passage versteckt sich in einem 174 Seiten langen Dossier. „Haben wir uns nicht zusammengetan, um eine bestimmte Theorie in Frage zu stellen und wenn möglich zu verwerfen?“ Geschrieben hat die Nachricht Drosten am 9. Februar 2020, nach einer Telefonkonferenz, in der Drosten, Fauci und andere Wissenschaftler über einen möglichen Laborursprung des Sars-CoV-2-Virus diskutiert hatten. Die Dokumente zeigen, daß die Laborhypothese einigen Wissenschaftlern durchaus glaubwürdig erschien. In den fertigen Studien und Stellungnahmen wurde sie dann aber klar verdammt. Etwa von Top-Wissenschaftlern und Experten wie Patrick Vallance (seit 2018 wissenschaftlicher Chefberater der britischen Regierung), der nachweislich vorher über die konkrete Möglichkeit in Kenntnis war, daß Covid-19 in Labortieren entstanden sein könnte.

In den E-Mails erklärte Jeremy Farrar, Leiter der milliardenschweren britischen Medizinstiftung Wellcome Trust, daß der Zweck der Diskussionen darin bestehe, zu einer übereinstimmenden Meinung zu gelangen und „eine anerkannte Erklärung abzugeben, die den Rahmen für die weitere Debatte absteckt, bevor diese außer Kontrolle gerät und potentiell äußerst schädliche Auswirkungen hat“. Auch Fauci war beteiligt, dessen NIAID die Forschung im Labor in Wuhan mitfinanzierte.

Drosten hatte bereits am 19. Februar 2020 mit 26 Wissenschaftlern und staatlichen Gesundheitsexperten in einer in der bisherigen Wissenschaftsgeschichte einmaligen politischen Aktion eine Erklärung unterschrieben, in der es heißt: „Wir verurteilen gemeinsam auf das schärfste die Verschwörungstheorien, die besagen, daß Covid-19 keinen natürlichen Ursprung hat.“ Das schüre nur Angst, Gerüchte und Vorurteile, lautete die Begründung (JF 8/22). Am 17. März brachten andere involvierte Forscher mit dem Paper „The Proximal Origin of Sars-CoV-2“ in Nature Medicine die These die These vor, daß die Pandemie durch einen natürlichen Übertritt des Virus aus der Umwelt entstanden sei.

Neu veröffentlichte E-Mails von Anfang 2020 zeigen jedoch, daß die Autoren in den Wochen vor der Veröffentlichung ausführliche Gespräche führten, darunter Vallance und Farrar. Hier wurden die Wissenschaftler darauf hingewiesen, daß sich die ungewöhnlichen Merkmale von Covid-19 sowohl bei Tieren im Labor als auch in der freien Natur entwickelt haben könnten. Sie wurden auch über die Forschungen an Fledermaus-Coronaviren am zentralchinesischen Wuhan Institute of Virology (WIV) in Kenntnis gesetzt. Hier zeigte bei einem DNA-Abgleich, ein dort kultivierter Stamm die höchste Übereinstimmung mit dem Wuhan-Virus. Auch wurde über die schlechten Sicherheitszustände im WIV gesprochen. In einer Mail warnte Farrar, daß die Forschung dort dem „Wilden Westen“ gleiche.

Der Wissenschaft in China keinen unnötigen Schaden zufügen?

Als das Papier veröffentlicht wurde, waren jedoch alle Hinweise auf Sicherheitsgefahren in Wuhan entfernt, und die Autoren argumentierten allein dafür, daß das Virus in der Natur entstanden sei. Sie schrieben in dem Nature Medicine-Artikel: „Unsere Analysen zeigen eindeutig, daß es sich bei Sars-CoV-2 nicht um ein Laborkonstrukt oder ein absichtlich manipuliertes Virus handelt.“ Danach wurde die öffentliche Erforschung der Labortheorie praktisch eingestellt. In den nun veröffentlichten E-Mails erkannte einer der Autoren an, daß das Virus gleich aussehen würde, egal ob es sich auf natürliche Weise oder in Labormäusen entwickelt hatte. Man wies darauf hin, daß ähnliche Effekte beobachtet worden waren, als die Vogelgrippe in Laborhühnern weitergegeben wurde.

Einer der Gründe, warum die Autoren die Labor­theorie verwarfen, war, daß Sars-CoV-2 Zucker namens „O-Glykane“ enthält. In der Nature Medicine-Studie heißt es, dies zeige, daß das Virus nicht aus dem Labor stammen könne. Niemand erwähnte aber, daß das Virus, wenn es sich in Labortieren entwickelt hätte, ebenfalls die O-Glykane enthalten würde. Die Gründe für diese Diskurslenkung legen die Mails auch nahe. Der niederländische Virologe Ron Fouchier (Erasmus MC Rotterdam) schreibt, daß selbst die Untersuchung eines Laborlecks der chinesischen Forschung schaden könnte. „Eine weitere Debatte über solche Anschuldigungen (daß Sars-CoV-2 möglicherweise von Menschen absichtlich verändert und in die Umwelt freigesetzt wurde – wissentlich oder versehentlich ) würde jedoch Spitzenforscher unnötig von ihren aktiven Aufgaben ablenken und der Wissenschaft im allgemeinen und der Wissenschaft in China im besonderen unnötigen Schaden zufügen.“

Bisher war nur Faucis Mail-Verkehr bekannt. Aus diesem ging hervor, daß eine Mehrheit der teilnehmenden Wissenschaftler eher von der Laborhypothese überzeugt war, bis einige wenige Gegenspieler in scharfem Ton die Gruppe „umlenkten“, darunter eben auch Drosten. Die Alternative zum natürlichen Ursprung birgt Sprengstoff. Donald Trump sprach am 16. März 2020 undiplomatisch vom „Chinese Virus“ und wiederholte das mehrfach. Der damalige US-Präsident wurde dafür medial gescholten, doch jüngst veröffentlichte der US-Senatsausschuß einen Bericht mit dem selben Schluß: daß die Covid-19-Pandemie „höchstwahrscheinlich“ das Ergebnis eines Laborunfalls war, da kein Kandidat für eine Übertragung von Tieren auf Menschen gefunden worden war.

„The Proximal Origin of Sars-CoV-2“: www.nature.com

Covid-Bericht des US-Senats vom Oktober 2022: help.senate.gov