© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 50/22 / 09. Dezember 2022

„Schock sitzt tief“
Mord an Kind: Auch weil der Verdächtige Asylbewerber ist, schlägt die Tat hohe Wellen
Martina Meckelein/ Zita Tipold

Am Abend nach der Ermordnung eines 14jährigen Mädchens hat Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) ein lange geplantes Hintergrundgespräch mit wichtigen Journalisten aus dem Bundesland. Er sieht erschöpft aus. Er wird wissen: Nach der Festnahme eines dringend tatverdächtigen Asylbewerbers steht ihm Ärger ins Haus. Erst spät meldet sich der Regierungschef zu Wort und warnt vor einem „Generalverdacht“. Doch da ist ihm die Debatte bereits entglitten. Die Wut kocht hoch. 

AfD-Chefin Alice Weidel hatte den Ton der Debatte längst geprägt. „Die routiniert abgespulten Floskeln von Politikern der Regierungsparteien nach der Bluttat von Illerkirchberg sind ein Hohn für alle Bürger, die zu Recht um Leib und Leben ihrer Kinder und Familien fürchten.“

„Sachliche Diskussion nicht zumutbar“

Es reiche nicht aus, wenn sich die verantwortlichen Politiker nun bestürzt und erschüttert zeigten, monierte Weidel. Sie müßten „die notwendigen Entscheidungen treffen, um die Bürger zu schützen und die Sicherheit im öffentlichen Raum zu gewährleisten“. Sie appellierte an Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD), „abgelehnte Asylbewerber, illegale Migranten, kriminelle Zuwanderer und Gefährder konsequent, umgehend und ohne Ausnahme in ihre Herkunftsländer“ abzuschieben. 

Am Montag morgen waren die beiden Mädchen auf dem Schulweg in der 5.000-Seelen-Gemeinde von einem Mann mit einem Messer angegriffen und schwer verletzt worden. Eines der beiden Opfer, eine 14jährige, erlag noch am selben Tag seinen schweren Verletzungen im Krankenhaus. Dringend tatverdächtig und seit Dienstag in Haft ist ein 27 Jahre alter Asylbewerber aus Eritrea. „Der Tatverdächtige ist seit 2016 in Deutschland, er hat eine Aufenthaltserlaubnis“, sagte Oberstaatsanwalt Michael Bischofberger der JUNGEN FREIHEIT. „Abgesehen von einer Schwarzfahrt ist er niemals polizeilich in Erscheinung getreten.“ Zu einem möglichen Motiv konnten die Ermittler einen Tag nach der Tat noch nichts sagen.

Faeser hatte sich zuvor über die Tat erschüttert gezeigt. „Ich trauere um das getötete Mädchen und hoffe inständig, daß das verletzte Mädchen gesund wird“, schrieb sie auf dem Kurznachrichtendienst Twitter. „Meine Gedanken sind in diesen Stunden bei ihren Familien.“ Der Linkspartei-Bundestagsabgeordnete und ehemalige Parteichef, Bernd Riexinger, übte heftige Kritik an der AfD: „Statt um das tote Mädchen in Illerkirchberg zu trauern, innezuhalten und mal den Mund zu halten, nutzen die AfD-Nazis sofort die Gelegenheit, um gegen Geflüchtete zu hetzen.“ Dies sei „niederträchtig“ und zeige, wes Geistes Kind die AfD sei. Die kleine Gemeinde Illerkirchberg ist nicht das erste Mal wegen einer Gewalttat von Asylbewerbern in den Schlagzeilen. 2019 wurde in einem anderen Ortsteil ein 14 Jahre altes Mädchen von vier Asylbewerbern aus dem Irak und Afghanistan über Stunden mehrfach vergewaltigt. Ein Gericht verurteilte die Täter 2021 zu Haftstrafen von zwei Jahren und zwei Monaten sowie zwei Jahren und drei Monaten. 

Unterdessen gärt es im nahe gelegenen Ulm aufgrund des aktuellen Verbrechens gewaltig. Dort kommen wöchentlich etwa 50 Asylbewerbern, die wegen überfüllter Unterkünfte eigentlich auf die umliegenden Ortschaften verteilt werden, berichtete die Südwest-Presse. Doch die wehren sich gegen den Mitte November beschlossenen Aufbau von Wohncontainern. „Deswegen hat die Stadt Ulm noch am Montag, am Abend der Bluttat von Illerkirchberg, beschlossen, bei allen anstehenden Ortschaftsratssitzungen, in denen es um Standorte für die Unterbringung Geflüchteter gehen sollte, einzugreifen“, schreibt die Zeitung. „Der Schock über diese brutale Tat sitzt tief. In dieser Lage ist es für alle Seiten unmöglich und auch nicht zumutbar, eine sachliche Diskussion zu führen“, zitiert das Blatt Ulms Bürgermeister Gunter Czisch (CDU).   

Der Mord von Illerkrichberg ruft zudem ähnliche Taten in Erinnerung. Im Dezember 2017 tötete ein Afghane, der zuvor als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling nach Deutschland gekommen war, die 15jährige Mia aus Kandel. 2018 fiel die Medizinstudentin Maria Ladenburger in Freiburg einem afghanischen Asylbewerber zum Opfer. Ein weiterer Fall, der 2018 für viel Aufsehen gesorgt hatte, war der Tod der 14 Jahre alten Susanna F. aus Wiesbaden, die von einem irakischen Asylbewerber vergewaltigt und ermordet wurde. Ebenfalls 2018 starb die 17jährige Flensburgerin Mireille B. Ihr Ex-Freund, ein afghanischer Asylbewerber, der 2015 nach Deutschland eingereist war, hatte sie nach dem Beziehungs-Aus mit 14 Messerstichen getötet.