© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 50/22 / 09. Dezember 2022

Weiße in der Minderheit
Großbritannien: Zuwanderung und Geburtenrate haben viele Städte radikal verändert
Julian Schneider

Jahrzehntelange außereuropäische Zuwanderung seit dem Zweiten Weltkrieg und höhere Geburtenraten der Migranten haben die englischen Städte radikal verändert. Das ganze Ausmaß dieser Bevölkerungsveränderung zeigt der aktuelle Zensus, dessen Ergebnisse vergangene Woche präsentiert wurden. In vierzehn Stadtregionen Englands sind Weiße inzwischen in der Minderheit. In Birmingham, der zweitgrößten Stadt des Landes mit 1,5 Millionen Einwohnern, ist ihr Bevölkerungsanteil auf 48,6 Prozent gesunken. In Luton nördlich von London leben nur noch 45 Prozent Weiße und in der nordenglischen mittleren Industriestadt Leicester sogar nur 40,9 Prozent. Die sogenannte BAME-Bevölkerung (Black, Asian, other Minority Ethnic) dominiert, so die Resultate der Bevölkerungszählung von 2021. „Super-divers“ nennen die Forscher das. Andere sprechen von Städten mit „Minoritäten-Mehrheiten“.

Wer durch nordenglische ehemalige Industrieorte wie Birmingham, Manchester oder Leicester geht, sieht in einigen Vierteln vor allem dunkelhäutige Menschen mit indischen, pakistanischen und afrikanischen Wurzeln. Viele haben kleine Geschäfte gegründet. Moscheen sind kein seltener Anblick. Landesweit macht die „BAME“-Bevölkerung zwar weniger als ein Fünftel aus, in vielen ländlichen Regionen leben nur wenige Migranten. Aber die urbanen Zentren sind für die Zuwanderer wie Magneten. 

London ist ebenfalls super-divers. Auch wenn über die gesamte 9-Millionen-Metropole hinweg die Weißen mit 52 Prozent noch knapp die Mehrheit ausmachen und Asiaten (19 Prozent), Schwarze (14 Prozent) und Gemischte (fünf Prozent) Minderheiten darstellen, sind viele eher ärmere Viertel in Ost- und Südlondon ethnisch gekippt. In Newham, Brent, Redbridge und Harrow beschreibt sich nur noch jeder dritte Einwohner als weiß. Dies sind auch die Viertel mit mehr Gewaltkriminalität.

Erstaunlich war, mit welcher Gleichmut die neuen Zahlen des Office of National Statistics zur Bevölkerungsveränderung hingenommen wurden. Es gab kaum eine Debatte. Die meisten Medien thematisierten die ethnische Verschiebung nur am Rande. Lediglich der Journalist und Schriftsteller Douglas Murray („The Strange Death of Europe“) äußerte sich kritisch. Er erinnerte daran, daß die britische Bevölkerung niemals für die Massenmigration votiert habe, ganz im Gegenteil immer eine Bremsung der Immigration gewünscht habe.

In sozialen Medien wie Twitter trendete der Name Enoch Powell. Der konservative Parlamentarier und Ex-Minister hatte in einer legendären Rede 1968 vor einem möglichen Bürgerkrieg infolge unkontrollierter Einwanderung gewarnt und war daraufhin aus dem politischen Establishment verstoßen worden. Heute heißt es, seine Rede („Rivers of blood“) habe das Klima vergiftet, Integration erschwert und Rassismus verstärkt. Premier Rishi Sunaks Pressestelle teilte zu den neuen Statistiken mit, die Vielfalt des Königreichs sei eine Stärke.

Der linksliberale Guardian freute sich im Leitartikel, daß Powell verloren habe. Am Tag darauf schon der nächste Rassismusstreit. Eine 83jährige Hofdame mußte zurücktreten, da sie bei einem Empfang im Buckingham-Palast eine Schwarze in einem Leopardenfellkleid gefragt hatte, aus welchem Teil Afrikas sie komme. Prinz William ließ mitteilen, seine Patentante habe sich inakzeptabel rassistisch verhalten.

Nigel Farage: Die Tory-Partei verdient „ausgelöscht“ zu werden 

Ein paar Tage zuvor hatten neue Zahlen zur Zuwanderung für Aufregung gesorgt. Mit über einer Million Zuwanderern und einer halben Million Nettozuwanderung ist die Immigration vergangenes Jahr so hoch wie nie zuvor gewesen. Den Zustrom von Asylanten in kleinen Booten über den Ärmelkanal – dieses Jahr schon mehr als 40.000 – konnte Innenministerin Suella Braverman nicht stoppen. Die Tory-Regierung hat es offenkundig nicht geschafft, die Migration wie von den Brexit-Wählern gewünscht stärker zu begrenzen. Brexit-Vorkämpfer Nigel Farage drohte, die Tory-Regierung verdiene es, bei den nächsten Wahlen „ausgelöscht“ zu werden. Allerdings ist dann ein Sieg der Labour-Partei wahrscheinlich. Und die steht im Zweifel für offenere Türen für noch mehr Zuwanderung.

Ein weiteres bemerkenswertes Ergebnis brachte die Volkszählung: England und Wales sind erstmals seit tausend Jahren mehrheitlich nicht mehr christlich. Der Anteil der sich selbst als Christen Bezeichnenden sank innerhalb eines Jahrzehnts von 59 Prozent auf 46 Prozent, was vor allem an einer Zunahme der Nicht-Religiösen unter der jüngeren Bevölkerung liegt. Anhänger des Islams sind eine Minderheit von jetzt 6,5 Prozent. Ihr Anteil steigt aber, in einigen Städten dramatisch. In Birmingham leben schon 29,9 Prozent Muslime, in Manchester 22 Prozent. 

Aus der Textilindustriestadt Leicester mit einem Viertel Muslimen wurden vor einigen Wochen gewaltsame Zusammenstöße zwischen radikalen Muslimen und Hindus gemeldet. Bürgermeister Peter Soulsby kritisierte in diesem Zusammenhang nach Angaben des Guardian Desinformationen in den sozialen Medien und eine Verzerrung der Fakten. In Leicester seien die „sehr guten Beziehungen zwischen den gläubigen Menschen normal“, beschwichtigte der Labour-Politiker. Doch die indische Botschaft verurteilte die Gewalt und die „Vandalisierung von Räumlichkeiten und Symbolen der hinduistischen Religion“ auf das Schätfste. Parallel dazu forderte sie die britischen Behörden „mit Nachdruck“ auf, sofortige Maßnahmen zum Schutz der Betroffenen zu ergreifen. 

Foto: Londoner Schulkinder bei den Beerdigungsfeierlichkeiten zum Tode von Königin Elisabeth II.: Premier Risihi Sunak propagiert Vielfalt