© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 50/22 / 09. Dezember 2022

Joe Bidens „Buy American“
Macron-Visite in Washington: Die transatlantischen Partner EU und USA zwischen Subventionswettlauf und Freihandelsträumen
Albrecht Rothacher

Großer diplomatischer Bahnhof für Emmanuel Macron nebst Gattin Brigitte in Washington, das erste große Staatsdinner im Weißen Haus nach Corona – und gleichzeitig ein Theater des Absurden. Denn der französische Präsident ist mit seinem Wirtschaftsminister Bruno Le Maire in der EU der schärfste Kritiker des „super-aggressiven“, Inflation Reduction Acts (IRA) von Gastgeber Joe Biden. Dessen 391-Milliarden-Dollar-Subventionspaket soll angeblich der Inflationsbekämpfung dienen. Doch praktisch dient es – im Widerspruch zu den Regeln der Welthandelsorganisation WTO – dem vermehrten Kauf von amerikanischen Produkten.

Aus Donald Trumps Dekret „Buy American and Hire American“ (Executive Order 13788) ist unter dem US-Demokraten schon im Januar 2021 „Buy American“ (Ensuring the Future Is Made in All of America by All of America’s Workers/EO 14005) geworden. Mit dem im August unterzeichneten IRA werden Elektroautos mit Steuergutschriften von 7.500 Dollar subventioniert – aber nur, wenn sie einschließlich Batterien ab 2026 zu mindestens 80 Prozent „Made in USA“ sind. Macron und Le Maire forderten prompt ein analoges „Buy European“-Gesetz. Die deutsche Politik fürchtet derweil einen Subventionswettlauf wie weiland zwischen Airbus und Boeing, obwohl die deutschen Pkw-Exporte in die USA viel härter betroffen sein werden.

Und Deutschland hätte bei einem offenen trans­atlantischen Handelskrieg viel mehr zu verlieren: Unsere US-Exporte summierten sich in den ersten drei Quartalen dieses Jahres auf 104,7 Milliarden Dollar – Frankreich lieferte nur für 42,5 Milliarden Dollar nach God’s Own Country. Die USA sind zudem unser wichtigster Exportmarkt. Doch da Olaf Scholz für Biden mangels Führungskraft genauso als Ansprechpartner ausfällt wie die erratische Uschi von der Leyen als EU-Kommissionspräsidentin, wird Frankreich als „ältester Verbündeter“ der USA abgefeiert und von Biden beschwichtigt: Er wolle die Reindustrialisierung Amerikas nicht auf Kosten Europas betreiben. Doch genau das ist geplant – mit der aktiven Mithilfe der grünen EU-Deindustrialisierungs-Politiker.

Die inflationstreibenden CO2-Sonderzölle und der „Green Deal“

Die Amerikaner sind mit ihrem defizitären Außenhandel (minus 917 Milliarden Dollar in den ersten drei Quartalen) nur noch in wenigen Sektoren wettbewerbsfähig: der Landwirtschaft, bei Rohstoffen und Energieexporten, der Rüstung und der Hochtechnologie. Jetzt soll der „Rust Belt“, der sich im Nordosten von Chicago über Detroit bis New York zieht, als „Batteriegürtel“ revitalisiert werden. Graphit-, Lithium- und Kobaltwerke sowie Batterie-Gigafabriken sollen auf den alten Industriebrachen entstehen. Niedrige Energie- und Arbeitskosten plus Importschutz locken. Mit der geschützten und hochsubventionierten E-Autoproduktion werden nicht nur die verhaßten chinesischen Rivalen, sondern auch europäische, japanische und südkoreanische Pkw-Importe ausgeschaltet.

Und das ist das einzige Thema, bei dem sich Republikaner und Demokraten völlig einig sind. Nur noch Batteriebestandteile aus Ländern, mit denen die USA Freihandelsverträge hat, wie Kanada und Mexiko, werden nach 2026 noch zulässig sein. Damit wollen die USA ihren eigenen Bergbau von Nickel, Lithium, Kupfer und seltenen Erden fördern. Die Endfertigung hat ohnehin in den USA stattzufinden. Daß die Bevorzugung einheimischer Güter und die Import-Diskriminierung WTO-Regeln widerspricht, stört in Washington niemanden, hat man doch durch die Nicht-Ernennung von Richtern die WTO-Schiedsgerichtsbarkeit beizeiten sabotiert. Zugleich wird die europäische Industrie von den höchsten Energie- und Arbeitskosten der Welt belastet – bei inflationären Preisen für Rohstoffe und Vorprodukte. Die Stromversorgung wird – durch den Ausstieg aus Atom und Kohle – immer unsicherer. Die Unternehmen werden durch Endlosvorschriften, Lieferkettenbürokratie, CO2-Abgaben und Klimaauflagen schikaniert, während die Verkehrsinfrastruktur zerfällt und die qualifizierten Mitarbeiter rar werden. Da China angesichts des „Chip-Kriegs“ zwischen Washington und Peking sowie der Politik von Xi Jinping zu riskant und Rußland zum Tabu-Land wurde, lautet die Parole vom Dax-Vorstand bis zum Mittelständler: „Go west!“ Sprich: Fertigung in Nordamerika.

Natürlich nicht über Nacht und ohne dies an die große Glocke zu hängen beginnen ähnliche Produktionsverlagerungen wie vor 30 Jahren nach Osteuropa und vor 20 Jahren nach China. Diesmal Richtung USA – und ohne Wiederkehr. So „modernisiert“ BMW bereits sein größtes Werk in Spartanburg in South Carolina. 2021 liefen hier 433.000 SUV der großen X-Baureihen vom Band – ein neuer Rekord, der die Bayern zum größten US-Autoexporteur machte. VW will in Kanada Rohstoffe fördern. Tesla hat sich von den Plänen einer Batteriefabrik in Brandenburg verabschiedet zugunsten von „Made in USA“. Hätte die EU ein transatlantisches Freihandelsabkommen, wären den US-Protektionisten die Hände gebunden.

Doch Trump beendete 2017 – zur Freude der grünen Chlorhuhn- und Genmais-Hysteriker – die TTIP-Verhandlungen. Schüchtern haben Scholz und die FDP eine Wiederbelebung der Verhandlungen laut angedacht. Doch Biden wie Macron haben kein Interesse. Die Handelsbeziehungen mit den USA sind derzeit so schlecht, daß EU-Industriekommissar Thierry Breton seine Teilnahme am kommenden transatlantischen Handels- und Technologierat, der Probleme lösen soll, bereits abgesagt hat. Die EU-Seite soll nun von Björn Seibert, von der Leyens EU-Kabinettschef und einem, der auf den „Green Deal“ stolz ist, angeführt werden.

Die EU-Freihandelspläne werden zudem mit sachfremden Menschenrechts-, Sozial- und Klimaagenden befrachtet, die außerhalb Westeuropas kaum Nachahmer finden. Das Ceta-Abkommen mit Kanada wird gerade mit Ach und Krach in den EU-Mitgliedsstaaten ratifiziert. Abkommen mit Chile, Mexiko und Neuseeland stehen an. Doch die Kommission will weiterhin die inflationstreibenden CO2-Sonderzölle (Carbon Border Adjustment Mechanism/CBAM) einführen, um teure Klimaauflagen durchzusetzen. Doch das wird unweigerlich überall Gegenzölle auf EU-Exporte auslösen. So als hätte man nicht genug Feinde und Probleme.

 www.epa.gov

 www.madeinamerica.gov

Foto: Emmanuel Macron und Joe Biden beim Staatsdinner im Weißen Haus: Die Reindustrialisierung Amerikas nicht auf Kosten Europas betreiben