© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 51/22 / 16. Dezember 2022

PR-Aktion der Ampel
Politik und Medien schlachten die „Reichsbürger“-Razzien aus
Kurt Zach

Ein Duodez-Prinz, eine Kartenlegerin, ein Koch, eine Richterin und ein bunter Haufen aus abgehalfterten Provinzpolitikern, Kleingewerblern und ein paar überwiegend ehemaligen Angehörigen von Polizei und Bundeswehr, die die Macht an sich reißen und eine Privatarmee aufstellen wollen. Was sich anhört wie das Drehbuch zu einer Spielfilm-Groteske, beherrscht seit Tagen mit alarmistischem Grundton die deutschen Qualitäts-, Boulevard- und Zwangsgebührenmedien.

Die reißerischen Schlagzeilen vom gerade noch so verhinderten „Staatsstreich“ wollen dabei nicht so recht zum tatsächlichen Ertrag der bundesweiten Razzia im Milieu der sogenannten „Reichsbürger“ passen. Statt der erwarteten „Waffenlager“ präsentierte man bislang einige Dutzend Jagdgewehre und Pistolen, dazu Armbrüste und Schreckschußwaffen. Etwas wenig, um damit „286 Heimatschutzkompanien“ auszustatten, für die die ominösen Verschwörer offenbar auch nur eine Handvoll Freiwillige anwerben konnten. 

Gegen die von Regierungspolitikern bevorzugte dramatische Lesart vom mit knapper Not abgewendeten Putsch spricht schon das gewaltige Medienaufgebot, das den Polizeieinsatz im Morgengrauen mit Kameras, Reportern und fertig vorbereiteten Hintergrundartikeln begleiten durfte. Ist Gefahr im Verzug, pfeifen nicht schon zwei Wochen vorher die politischen Spatzen den bevorstehenden Polizeieinsatz von den Dächern.

Der im Superlativ-verliebten Politiksprech so bezeichnete „größte Antiterroreinsatz“ ist dies allenfalls nach der Zahl der eingesetzten Polizeibeamten – mehr als dreitausend Kräfte waren aufgeboten. Die „Umsturzpläne“ der dabei dingfest Gemachten verharrten dagegen offenkundig größtenteils im Bereich wirrer Vorstellungen und der Verteilung von fiktiven Ämtern und des anschließenden Streits darüber.

Man kann sich bei Telegram in den wildesten Plänen ergehen, ohne daß dies etwas über Fähigkeit und Mittel zur Umsetzung verrät. Zweifellos finden sich unter dem wenig bestimmten Sammelbegriff der „Reichsbürger“-Szene gefährliche, unberechenbare und potentiell gewaltbereite Personen. Rechtsstaatlich bedenklich ist nicht, wenn Behörden gegen sicherheitsgefährdende extremistische Bestrebungen vorgehen, sondern wenn dieses Vorgehen für politische Zwecke instrumentalisiert und im Zusammenspiel von Politik, Sicherheitskräften und Medien zur PR-Inszenierung im Interesse der Mächtigen aufgeblasen wird. Die Frage nach der Wahrung des Prinzips der Verhältnismäßigkeit und der Einhaltung rechtsstaatlicher Grundsätze ist daher nicht nur legitim, sondern geradezu geboten. Das kritische Hinterfragen von Behörden- und Regierungshandeln ist für eine intakte freiheitliche Demokratie konstitutiv. Wer das Infragestellen von offiziellen Narrativen als „Verharmlosung“ denunziert, hat das kleine Einmaleins von Demokratie und Rechtsstaat nicht verstanden.Ein beunruhigend großer Teil der deutschen Medienlandschaft ist im Fall der „Reichsbürger“-Razzia an dieser Herausforderung gescheitert. Medien haben sich, verlockt von der Aussicht auf „exklusive“ und spektakuläre Bilder und verführt vom Glauben an die eigene Wichtigkeit, für eine PR-Veranstaltung der Bundesinnenministerin in Dienst nehmen lassen und zu Vervielfältigern einer vorgefertigten Deutung degradieren lassen.

Verdächtige schon bei der Verhaftung vor laufender Kamera vorzuführen, sie mit vollem Namen und unverpixeltem Bild darzustellen und vorzuverurteilen, ist ein klarer Verstoß gegen den Grundsatz der Unschuldsvermutung und setzt Selbstverständlichkeiten außer Kraft, die sogar Mördern und Vergewaltigern zugestanden werden. Mehr noch: weil Medien in das Vorgehen der Behörden nach Art von Frontberichterstattern regelrecht „eingebettet“ waren, können sie den weiteren Verlauf der Ermittlungen nicht unvoreingenommen begleiten, wenn sie nicht ihr eigenes Verhalten nachträglich in Frage stellen wollen.

Erst recht unübersehbar ist die Absicht zur politischen Instrumentalisierung durch die Bundesinnenministerin und die Regierungsparteien. Die Erzählung vom um Haaresbreite verhinderten „rechtsterroristischen“ Putsch bedient perfekt die von Nancy Faeser ausgegebene Parole, Terrorgefahr und Bedrohungen für die Sicherheit gingen in erster Linie, wenn nicht ausschließlich von „rechts“ aus. 

Zugleich lenkt die Debatte um die „Reichsbürger“ trefflich davon ab, daß die Bundesinnenministerin gegen andere, weitaus realere Sicherheitsbedrohungen – islamistischen Terror, militanten Linksextremismus, Links- und Klima-Terror, unkontrollierte Massenmigration – die Augen verschließt. Wie auf Kommando nutzen Ampel-Politiker die Razzia als Stichwort, um Exekutivbefugnisse auszudehnen, Bürgerrechte weiter einzuschränken, pauschale Verdächtigungen weit in die Mitte der Gesellschaft voranzutreiben und legitime Regierungskritik unter Generalverdacht zu stellen. Innenministerin Faeser und Familienministerin Paus nutzen die aufgeheizte Stimmung, um ihr „Demokratiefördergesetz“ durchzudrücken, das der eigenen links-grünen NGO-Klientel neue Finanzierungsquellen öffnet. Faeser und die Grünen betreiben zugleich die weitere Verschärfung des ohnehin schon überstrengen deutschen Waffenrechts und haben dabei auch Teile der Union auf ihrer Seite. 

Einig sind sich alle etablierten Parteien zudem in Forderungen, die parlamentarischen Rechte der exklusiv unter Verdacht gestellten AfD weiter einzuschränken, die Beobachtung durch den Verfassungsschutz auszuweiten und der Oppositionspartei im Umfrage-Aufwind staatsgefährdende Bestrebungen zu unterstellen. 

Dabei ist es die offen mit der linksextremen „Antifa“ sympathisierende Ministerin selbst, die Zweifel an ihrer Verfassungstreue nährt, wenn sie eine Reform des Einbürgerungsrechts betreibt, die auf einen kalten Staatsstreich gegen den Souverän des Grundgesetzes zielt.

Die AfD wird in dieser Situation gut beraten sein, ihren Kurs der Distanzierung von der „Reichsbürger“-Szene, die sich auch auf ihrer Unvereinbarkeitsliste findet, konsequent beizubehalten und ihre Kritik am Vorgehen der Regierung auf das Anprangern der Mißachtung rechtsstaatlicher Grundsätze zu konzentrieren.