© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 51/22 / 16. Dezember 2022

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Bibbern im Bbbundesttttag
Paul Rosen

Weihnachtstimmung will dieses Jahr in den Gebäuden des Bundestags nicht so recht aufkommen. Das hat einen Grund: Es ist zu kalt. Die Verwaltung des Parlaments hat wie alle anderen Behörden die aus Gründen des Energiesparens eingeführte Temperaturabsenkung in „öffentlichen Nichtwohnungsgebäuden“ umzusetzen. Festgelegt ist in der – bitte festhalten – „Kurzfristenergieversorgungssicherungsmaßnahmenverordnung (EnSikuMaV)“ des von Robert Habeck (Grüne) geführten Wirtschaftsministeriums, daß Büroräume bei „körperlich leichter und überwiegend sitzender Tätigkeit“ nur noch höchstens 19 Grad haben dürfen. Wird die Tätigkeit überwiegend im Stehen oder Gehen verrichtet, dürfen es höchstens 18 Grad sein. 

Außerdem wird die Kuppel nachts nicht mehr beleuchtet, eine Reihe von Scheinwerfern, mit denen der Reichstag angestrahlt wurde, ist außer Betrieb. Die Verwaltung von Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) ließ die Techniker ausschwärmen und in den Büros die Heizungen runterdrehen. Sind dort Waschbecken installiert, wurde das warme Wasser abgedreht. Daraufhin häuften sich die Klagen, es werde jetzt gar nicht mehr warm. Das hat auch mit komplizierten Systemen im Bundestag zu tun. So gibt es elektronische Fühler, die dafür sorgen sollen, daß sich die Raumheizung abschaltet, wenn ein Fenster geöffnet wird. So wollte man schon vor zwei Jahrzehnten Energie sparen. 

Außerdem gibt es „Präsenztaster“. Diese Schalter sind zu betätigen, wenn das Büro betreten wird. Jahrelang hatte das alles funktioniert, aber jeder Fachmann weiß, was passiert, wenn man bei einem in die Jahre gekommenen System anfängt, Schräubchen zu drehen und Einstellungen zu verändern: In vielen Büros ging auf einmal gar nichts oder fast nichts mehr: Es wurde von Raumtemperaturen von nur 15 Grad berichtet. Auf einmal waren als Kleidung dicke Wollpullover und lange Unterhosen gefragt. Das Restaurant im Reichstag, ohnehin kein Ort der Gemütlichkeit, bekam den Spitznamen „Eiskeller“.

Was machen die Betroffenen, die bei Temperaturen von 15 bis 16 Grad nicht mehr vernünftig arbeiten können? Sie greifen zur Selbsthilfe. In Taschen werden zuhauf elektrische Heizlüfter in die Bundestags-Büros geschleppt und angeschlossen. Und wo es kein Warmwasser gibt, sorgen jetzt elektrische Wasserkocher dafür, daß man das Kaffeegeschirr heiß abspülen kann. Auch Heizdecken sollen sehr gefragt sein.

Und Gas wird überhaupt nicht gespart. In einer Pressemitteilung vom Sommer, in der die Umsetzung der Maßnahmen angekündigt wurde, hieß es, „schon beim Umbau des Reichstages vor dem Parlamentsumzug 1999 nach Berlin wurde ein Energiekonzept umgesetzt, das auf weitgehende Verwendung von regenerativer Primärenergie setzt“. Da denkt nicht nur Vizepräsident Wolfgang Kubicki (FDP) bei Habecks Verordnung an Symbolpolitik. Er findet wenigstens einen Vorteil an unterkühlten Räumen: Die Sitzungen dauern nicht mehr so lange.