© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 51/22 / 16. Dezember 2022

Ist der AKW-Neubau in Polen gefährlich, zu teuer und ohne Zukunft?
Grüne Claqueure
Marc Schmidt

Am Montag trafen sich die Präsidenten Frank-Walter Steinmeier und Andrzej Duda im Schloß Bellevue, um die deutsch-polnischen Beziehungen wieder zu glätten. Da wäre es unpassend, wenn die Partei von Außenministerin Annalena Baerbock dazwischengrätscht, ist man doch in der Ukraine-Frage voll auf einer Linie. Die Besserwisserei übernahm daher diesmal eine grüne Vorfeldorganisation: der Bund für Umwelt und Naturschutz. Kernkraft sei „eine Hochrisikotechnologie von vorgestern“, belehrte BUND-Geschäftsführerin Antje von Broock die östlichen Nachbarn. „Während weltweit die Zahl der AKW aus gutem Grund stetig sinkt, will Polen nun Milliardenbeträge in diese unwirtschaftliche und unsichere Technologie pumpen“, ereiferte sich die 44jährige Linguistin und Politologin.

Ja, während Deutschland im April 2023 seine letzten drei AKW abstellen will, sollen östlich der Oder bis 2043 sechs neue Reaktoren ans Netz kommen. Die Kraftwerke sollen 60 bis 80 Jahre laufen. Doch mit den „mindestens 20 Milliarden Dollar für die neuen AKWs ließe sich enorm viel bei der Wind- und Solarenergie bewegen“, glaubt von Broock. Doch bevor die BUND-Tiraden durchs Internet rasten, stand gleichzeitig das europäische Energienetz kurz davor, eine größere Zahl an Industriebetrieben oder ganze Teilnetze abzuschalten, um das Stromnetz vor noch schärferen Eingriffen zu retten. Die optimale Netzfrequenz liegt zwischen 49,98 und 50,02 Hertz (Hz), um 5.42 Uhr waren es nur noch 49,90 Hz mit fallender Tendenz, spätestens bei einer Frequenz von 49,80 Hz beginnen die Zwangsabschaltungen.

Fatalerweise befanden sich in Europa alle verfügbaren Kraftwerke am Netz, weshalb einzelne Anlagen kurzzeitig in einen Überlastbetrieb wechseln mußten. Die vom BUND den Polen empfohlenen Solaranlagen und Windräder lieferten zu diesem Zeitpunkt europaweit de facto keinen sigifikanten Beitrag. Auch eine Verdreifachung der Anlagen hätte nicht geholfen. Auch daß Polen mit den neuen AKW alte Kohlekraftwerke ersetzen will, erwähnte von Broock, die seit 2003 „beruflich für den Umweltschutz im Einsatz“ ist, natürlich nicht. Präsident Duda weiß übrigens die EU auf seiner Seite: Neue Atomprojekte sind in der sogenannten Taxonomie bis 2045 als „nachhaltig“ und damit staatlich förderbar eingestuft.