© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 51/22 / 16. Dezember 2022

Beschleunigte Konsolidierung
Kfz-Markt: Immer weniger Autohäuser / Gewinnbringendes Ersatzteil- und Werkstattgeschäft / Autokonzerne setzen auf PS-starke und luxeriöse Modelle sowie die teure E-Mobilität
Christian Schreiber

Der Automarkt befindet sich im Umbruch. Das betrifft nicht nur die Hersteller, sondern auch die Händler. Nach einer Studie des Ulmer Instituts für Automobilwirtschaft (Ifa) werden von den derzeit 6.800 Autohäusern in Deutschland im Jahr 2030 nur 3.900 übrigbleiben. „Die Konsolidierung wird sich beschleunigen“, erklärte Ifa-Direktor Stefan Reindl. „In größeren Ballungsräumen werden mehr regionale Platzhirsche entstehen, die das Autogeschäft dort dann dominieren“, so der Professor für Automobilwirtschaft an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt (HfWU). Diese Entwicklung resultiert aus dem wachsenden Druck, den die Autokonzerne auf den regionalen Vertrieb ausüben. Die Anforderungen werden immer höher.

Kürzlich hat die Hamburger Dello-Gruppe die Übernahme des 1928 gegründeten Konkurrenten Lensch & Bleck aus Holstein angekündigt. Dello war schon zuvor einer der europaweit größten Opel-Händler. Über das größte Händlernetz in Deutschland verfügt VW – doch von bundesweit 1.000 Händlern sind nur noch gut 800 übrig. So hat sich kürzlich die Bochumer Tiemeyer-Gruppe die aus dem benachbarten Sauerland stammende Piepenstock-Gruppe einverleibt. Der Bereinigungsprozeß hat dabei auch mit der Elektromobilität zu tun. Künftig werden IT-Spezialisten und Elektroniker gebraucht. Motorölwechsel entfallen tendentiell.

Einige Händler machen dennoch in ihrer Branche weiter: „Offensichtlich werden zahlreiche, ehemals fabrikatsgebundene Betriebe aufgrund des Verlusts von Händler- oder Serviceverträgen als freie Betriebe weitergeführt“, heißt es in der Ifa-Studie. Die Zahl der herstellerunabhängigen Werkstätten sei im vergangenen Jahr um 130 auf etwas mehr als 22.000 gestiegen. Die 100 größten deutschen Autohäuser haben 2021 rund 726.000 Neuwagen verkauft, das sind 28 Prozent des coronabedingt auf 2,62 Millionen eingebrochenen deutschen Neuwagengeschäfts. 2019 hatte es allerdings noch 3,61 Millionen Neuzulassungen gegeben. Und der Verkauftsanteil der 100 größten Händler war kleiner: 2020 waren es 25 Prozent, 2019 nur 21 Prozent. „Ein Trend, der auf eine Fortschreibung der Konsolidierung im markengebundenen Automobilhandel schließen läßt“, heißt es in der Studie.

„Die Bedeutung der individuellen Mobilität wird hoch bleiben“

Generell klagt die Händlerbranche über mangelnde Rendite. Der „Club der großen 100“ habe 2021 eine Vorsteuerrendite von nur 2,3 Prozent geschafft. Im klassischen Fahrzeugverkauf verdienen die Firmen wenig. Für ordentliche Umsätze sorgt hingegen das Ersatzteil- und das Werkstattgeschäft. Im Bereich der Luxus- und PS-starken Karossen läßt sich hingegen weiter ordentlich Geld verdienen. Auch der Verband der Internationalen Kraftfahrzeughersteller (VDIK) rechnet für 2023 mit einem Zuwachs bei den Gesamtneuzulassungen von sechs Prozent auf rund 2,75 Millionen Pkw. Das wären ungefähr 150.000 Exemplare mehr als 2022. „Wir gehen davon aus, daß die Bedeutung der individuellen Mobilität hoch bleiben wird“, sagte VDIK-Präsident Reinhard Zirpel.

Seine Verbandsmitglieder – dazu zählen die globalen Schwergewichte Toyota, Hyundai/Kia, Citroën/Jeep/Peugeot und Renault/Nissan/Mitsubishi, aber auch die VW-Marken Seat und Škoda, nicht aber Ford und Opel – haben derzeit einen Marktanteil von etwa 40 Prozent. Zumindest im Elektro-Segment dürfte es aber schwieriger werden, denn die staatliche Förderung wird zurückgefahren. „Mit zwei- bis dreistelligen prozentualen Zuwachsraten wie in den vergangenen Jahren ist es vorerst vorbei“, so der VDIK-Präsident. Denn die beliebten Plug-in-Hybride (PHEV) – Benziner oder Diesel, die 60 Kilometer rein elektrisch fahren können, werden ab 2023 nicht mehr 6.750 Euro (4.500 Euro vom Bund, 2.250 Euro vom Hersteller) gefördert. Reine E-Autos werden nur noch mit maximal 4.500 statt 6.000 Euro vom Bund subventioniert – der Herstelleranteil (bislang 3.000 Euro) ist dann wohl reine Verhandlungssache.

Der VDIK erlebt zudem einen Mitgliederzuwachs durch Firmen aus China. „Die Aussichten der Neueinsteiger, auf dem deutschen Pkw-Markt Fuß zu fassen, standen wahrscheinlich noch nie so gut wie jetzt“, sagt Michael Gergen vom Marktforschungsunternehmen Dataforce. Die chinesischen Hersteller bieten in der Regel günstige E-Autos an und könnten der Branche so ein zusätzliches Wachstum bescheren. Die Zahl der neuzugelassenen Pkw mit „alternativen Antrieben“ (PHEV und reine E-Autos) hat schon von Oktober 2021 bis Oktober 2022 hingegen deutlich um 38 Prozent zugelegt. Ihr Anteil am Pkw-Bestand (2021: 48,5 Millionen) beträgt nun sieben Prozent.

Doch zahlreiche E-Autos verschwinden schon nach kurzer Zeit aus der Statistik des Kraftfahrtbundesamtes (KBA). Insgesamt fehlen mehr als 86.000 E-Autos in der Statistik, was nach Auskunft der Deutschen Autotreuhand vornehmlich auf das Konto von Abmeldungen, Exporten, Totalschäden und Stillegen geht. Das Center of Automotive Management (CAM) in Bergisch Gladbach hat einen anderen Verdacht: Händler verleasen oder verkaufen E-Autos und streichen die 6.000-Euro-Prämie ein. Nach sechs Monaten gibt der Leasingnehmer das Auto zurück, das dann als junger Gebrauchter ins Ausland verkauft wird. Der Leidtragende ist der deutsche Steuerzahler Aber dafür können Politik und woke Autokonzerne in den Medien bzw. vor ihren Aktionären von einem Hochlauf der Elektromobilität schwärmen.

IfA-Studie „Autohäuser im Wechselspiel zwischen online und offline“: www.ifa-info.de

Foto: Gebrauchtwagenverkauf bei einem freien Händler: 86.000 E-Autos fehlen in der Statistik