© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 51/22 / 16. Dezember 2022

Zeitschriftenkritik: ExpressZeitung
Der gefräßige Drache
Werner Olles

Während die meisten Menschen noch immer der irrigen Vorstellung anheimfallen, der Kommunismus sei 1991 mit der Sowjetunion untergegangen, erleben wir heute das genaue Gegenteil: China ist gerade dabei, die Rolle der USA als dominierende Weltmacht zu übernehmen.“ Mit dieser wenig originellen Feststellung eröffnet André Barmettler, Herausgeber der etwa achtmal jährlich erscheinenden Schweizer ExpressZeitung, sein Editorial in dem Themenheft zu Chinas großem Sprung zur Weltmacht. Wie es dazu kam, daß ein rückständiger Bauernstaat, dessen Führung noch vor wenigen Jahrzehnten Abermillionen verhungern oder gezielt vernichten ließ („Große Kulturrevolution“), heute zu den technologisch modernsten und politisch einflußreichsten Staaten der Welt zählt, erfährt der Leser auf knapp neunzig Seiten. Dabei werden die Verbrechen und Massenausmordungen der Kommunistische Partei Chinas unter dem „Großen Vorsitzenden“ Mao ebensowenig verschwiegen wie der blutgetränkte „Lange Marsch“ zum Kommunismus in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Zur Sprache kommen auch die ideologischen Verwerfungen mit dem als „revisionistisch“ und „sozialimperialistisch“ geschmähten Nachbarn UdSSR, nachdem deren Führung den Stalin-Kult und die Verbrechen der Stalin-Ära kritisiert hatte.

Chinas „schwarze Liste“ ist indes noch länger. Sie reicht von der völkerrechtswidrigen Einverleibung Tibets und dessen Sinisierung inklusive der brutalen Repressionen gegen die tibetische Kultur über den Korea-Krieg, in dem die KPCh Zehntausende chinesische Soldaten als billiges Kanonenfutter verbluten ließ, bis zu den massiven Drohungen gegen das unabhängige Taiwan. In der Provinz Xinjang schmachten Hunderttausende muslimische Uiguren wegen ihres Glaubens unter elenden Bedingungen in Konzentrationslagern, leiden unter Folter, Hunger, Vergewaltigungen und rigoroser Umerziehung ihrer Kinder. 

Nicht unerwähnt bleibt auch, daß China seine Wirtschaftsmacht primär illegalen Kopien europäischer und nordamerikanischer Technologie-Patente verdankt. Die „Seidenstraße“ als Vorzeigeobjekt soll davon ablenken, daß die Kommunistische Partei  planmäßig deutsche und europäische Einkaufszentren, Häfen, Banken und Konzerne übernimmt und sich so politischen und ökonomischen Einfluß sichert.

Fast vergessen ist die Mystik und Schönheit der chinesischen Kultur vor dem Kommunismus, die tiefe Weisheit einer 5.000 Jahre alten Zivilisation mit ihren spirituellen Wurzeln: Ideale, die eine Quelle der Hoffnung bilden, daß die Unterdrückung durch das totalitäre Regime eines Tages endet.

Kontakt: InfoXpress GmbH, Hohestr. 130, CH-4104 Oberwil. Das Einzelheft kostet 9 Euro,  ein Jahresabo 59 Euro.

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