© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 51/22 / 16. Dezember 2022

Die Sichtbarkeit unterdrückt
Trump-Sperre: Neue Enthüllungen der „Twitter Files“ belegen „Schwarze Listen“ und Zensur
Collin McMahon

Nachdem es Elon Musk bereits angekündigt hatte, geht der Skandal um die „Twitter Files“ (JF 50/22) in die nächsten Runden. Die frühere New York Times-Redakteurin Bari Weiss, die von Musk ebenfalls Einblick in die internen Dokumente erhalten hatte, deckte nun in Part II auf, daß Zensurbeauftragte bei Twitter unbequeme Kritiker auf eine „Trends Blacklist“ gesetzt hatten, damit diese nicht in den Trends auftauchen. 

Dazu gehörte unter anderem der renommierte „Public Health“-Experte der Stanford-Universität Jay Bhattacharya, der mit anderen Epidemiologen Anfang Oktober 2020 die „Great Barrington Declaration“ unterschrieben hatte, die vor den verheerenden Folgen eines „Corona-Lockdowns“ besonders für Kinder und Einkommensschwache gewarnt hatte. Damals tonangebende „Corona-Päpste“ wie Christian Drosten oder Anthony Fauci hatten die Deklaration sowohl öffentlich wie heimlich diffamiert, die heute als richtungsweisend für eine humanere, realistischere Corona-Politik gilt.

Der konservative Journalist Dan Bongino landete wiederum auf einer „Search Blacklist“, das heißt, Nutzer konnten sein Konto auch bei einer gezielten Suche nicht finden. Der Aktivist Charlie Kirk erhielt intern beim Kurzmitteilungsdienst den Vermerk „nicht verstärken“. 

Twitter-Manager hatten stets geleugnet, daß es einen sogenannten „Shadowban“ oder „schwarze Listen“ gebe. Doch nun kommt heraus: Neben dem gewöhnlichen Moderationsteam gab es eine geheime Gruppe namens „Site Integrity Policy, Policy Escalation Support“ (SIP-PES), zu der Ex-Twitter-Justitiarin Vijaya Gadde, Ex-Sicherheitschef Yoel Roth sowie die ehemaligen Konzernbosse Jack Dorsey und Parag Agrawal gehörten.

Die Gruppe sperrte beispielsweise 2022 sechsmal das Konto „Libs of TikTok“ (JF 46/22) wegen vermeintlicher „Haßrede“ und setzte es auf die „Trends Blacklist“, obwohl die Betreiberin Chaya Raychik lediglich Videos von Linken teilte – hauptsächlich zu Transgender-Themen. Ein internes SIP-PES-Memo bestätigte sogar, daß sich „Libs of TikTok“ nicht direkt „an Verhalten beteiligt hat, das die Anti-Haß-Regeln verletzt“.

Trump wurde gesperrt, obwohl er nicht gegen die Regeln verstieß

Kurz nach Bari Weiss sorgte der Journalist Matt Taibbi, der schon die ersten Twitter-Akten veröffentlicht hatte, mit Part III für die ersten Enthüllungen hinsichtlich der Sperre Donald Trumps nach dem Sturm auf das Kapitol in Washington am 6. Januar 2021. Demnach wußten die Twitter-Manager, daß der damals scheidende US-Präsident nicht gegen die Twitter-Regeln verstoßen hatte. Die Sperre des Regierungschefs erfolgte „aus dem Gesamtzusammenhang und aktueller Stimmung“. Es ging um „das Narrativ, daß Trump und seine Freunde im Wahlkampf und, ehrlich gesagt, die letzten 4+ Jahre verfolgt haben.“ Die Beteiligten nahmen also zur Kenntnis, daß Trump gesperrt wurde, weil ihnen seine Politik nicht gefiel. Es wurde Twitter-intern sogar thematisiert, ob jemals ein amtierender Regierungschef gesperrt worden war. Immerhin hatten bekannte Persönlichkeiten wie Angela Merkel die Trump-Sperre damals kritisiert. 

Doch der Reihe nach. Elon Musk hat Donald Trumps Twitter-Konto wieder freigeschaltet, inklusive seiner Tweets vom 6. Januar 2021, in denen er seine Anhänger aufforderte, „friedlich zu bleiben – Keine Gewalt! Wir sind die Partei von Recht & Gesetz.Unterstützt das Gesetz und unsere Polizeibeamte. Sie stehen auf der Seite unseres Landes. Bleibt friedlich!“ Diese Beiträge wurden bereits am 6. Januar in ihrer Reichweite von Twitter gedrosselt. Die Erklärung: angebliche Anstiftung zum Staatsstreich.

Ein harter Vorwurf mit Konsequenzen bis hin zum Einsatz der Ermittlungsbehörden. Doch der frühere „Head of Trust and Safety“ Yoel Roth, der durch die Enthüllungen eher wie ein Zensurchef erscheint, sah es gelassen. Er scherzte über seine regelmäßigen Treffen mit dem FBI, die in seinem Terminkalender mehr schlecht als recht getarnt wurden als: „sehr langweiliges Meeting, in dem es garantiert nicht um Trump ging. Hat BESTIMMT nichts mit dem FBI zu tun, VERSPROCHEN“. Schon im Zusammenhang mit dem unterdrücktem Laptop-Scoop der New York Post über dubiose Geschäfte der Biden-Familie in der Ukraine kam es nicht nur zu regelmäßigen Treffen mit dem FBI und dem Heimatschutz, sondern auch mit dem Leiter der nationalen Nachrichtendienste. Dabei hatte Roth nie einen Hehl aus seiner persönlichen Abneigung gegen Trump gemacht. Mehrfach hatte er sich Trump-feindlich geäußert und bereits 2017 dessen Regierung als „leibhaftige Nazis im Weißen Haus“ bezeichnet.

Angesichts der drastischen Eingriffe kam es bei Twitter allerdings auch zu Konflikten zwischen dem regulären Moderationsteam, das eher regelbasiert mit Themen wie Pornographie und Betrug zu tun hatte, und dem Top-Management um Roth und Gadde. Letztere dienten immer wieder als eine Art Standgericht für wichtige Entscheidungen, und ließen Tweets des Ex-Präsidenten teilweise aufgrund von Bauchgefühl und kurzer Google-Suche löschen. 

Nur einen Tag nach den Ausschreitungen in der US-Hauptstadt und Trumps umstrittenem Tweet, schrieb Roth intern, „wir ändern in diesem besonderen Fall unsere Firmenpolitik zu Personen des öffentlichen Interesses“, damit Trump für einen einzigen Verstoß dauerhaft gesperrt werden könne. Roth drängte auch darauf, den Trump-nahen Abgeordneten Matt Gaetz zu sperren, obwohl „es nirgends wirklich hineinpaßt.“ Gaetz hatte einen Bericht der Washington Times geteilt, nach dem Antifa-Extremisten am „Sturm auf das Kapitol“ beteiligt gewesen seien. Der Journalist Michael Shellenberger, der Part IV der „Twitter Files“ veröffentlichte, bezeichnet die Gaetz-Diskussion als „Testballon für die Trump-Sperre“. Gaetz wurde nie tatsächlich gecancelt, trotzdem schien sich Roth nun in der Einschätzung seiner Belegschaft und seiner Masche sicher und schrieb: „Ich versuche das Moderationsteam davon zu überzeugen, daß es unter ‘Verschwörung zur Anstiftung von Gewalt’ fällt.“

Nur wenige Mitarbeiter kritisierten die Einflußnahme

Am 8. Januar 2021 veröffentlichte Twitter schließlich die Entscheidung, den amtierenden Präsidenten der Vereinigten Staaten mit 88,9 Millionen Followern wegen „Anstiftung zu Gewalt“ permanent zu sperren. Laut internen Mails gab es keine Belege für eine solche „Anstiftung“. Vielmehr basierte die Entscheidung darauf, „wie Trumps Tweets aufgenommen und gedeutet werden“.0

Nur wenige Twitter-Mitarbeiter drückten Unbehagen über den Eingriff aus. Einer schrieb: „Solche Entscheidungen, die keine Basis in den Firmenrichtlinien haben, sind meiner Meinung nach ein gefährliches Pflaster. Es könnte so aussehen, als hätte der Chef einer weltweiten Online-Plattform mit Türsteher-Funktion für die ganze Welt nach Gutsherrenart entschieden.“

Wie erneut Bari Weiss in Part V offenlegte, mahnte ein chinesischer Angestellter an, er wisse „nur zu gut, wie Zensur die öffentliche Debatte zerstören kann“. Daraufhin stieg der Druck auf die Belegschaft, aber auch aus der Teilen der Belegschaft heraus auf die Unternehmensführung. „Wir müssen das Richtige tun und diesen Account sperren“, betonte ein Mitarbeiter. Das Lager der Zensurbefürworter setzte sich durch. Dabei zeigen Weiss’ Veröffentlichungen, daß Twitter bei tatsächlichen Gewaltaufrufen anderer Staatschefs beispielsweise aus dem Iran, Malaysia, Nigeria oder Äthopien nicht eingeschritten ist.

Foto: Wieder auf Sendung, der ehemalige US-Präsident: Gezielte Eingriffe durch das Management