© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 51/22 / 16. Dezember 2022

Grau gegen Braun
Rolf Stolz’ historischer Roman
Peter Backfisch

Der Schriftsteller Rolf Stolz, der bisher mehrere Sachbücher und mehr als ein halbes Dutzend Romane (Edition Bärenklau) veröffentlicht hat, legt mit „Fast ein Attentat“ seine neueste Erzählung vor. Im Mittelpunkt steht Hermann Grau, „ein Mann ohne Freunde“, beschäftigt bei einer obskuren Geheimdienst-Gesellschaft, ansässig in Berlin, zu Beginn der 1930er Jahre. Der einsame Held Grau, „ein normaler Nullouvert-Mann“ versucht sein Glück bei den Frauen, was jedes Mal schnell und dramatisch ein Ende findet. Doris, eine Trinkerin, „die wußte, daß sie ihr Muster gnadenlos durchzog, gnadenlos gegen sich und andere“, immer begleitet von Selbstvorwürfen. Am Ende ist sie tot, ein Unglück oder ein Selbstmord? Eine Antwort darauf bleibt aus. Hermann Grau weiß nicht, ob das alles Schicksal ist und mit seiner eigenen Geschichte zu tun hat.

Der nächste Versuch mit Vera, einer unglücklich verheirateten Frau, scheint etwas aussichtsreicher zu werden, scheitert aber letztlich auch an Veras schwierigen und ungeklärten Lebensumständen. Ihr eifersüchtiger Mann stellt ihr nach, was zu Rückzug, Ausflüchten und Lügen führt. Je mehr die Entfremdung zu Vera eintritt, desto mehr reift bei Grau die Überzeugung, dem drohenden politischen Unheil jener Zeit entgegenzutreten. Vorsichtig deutet er seine Gegnerschaft zu den Auftritten der NSDAP und ihres Führers an. Vera zeigt kein Verständnis und versteht nicht die Zusammenhänge des sich anbahnenden Unheils. 

Ohne jegliche Verbindung zu politischen Gruppierungen und ohne einen Auftrag beschließt der Einzelgänger, bei einem Aufritt Adolf Hitlers im Juli 1932 in Eberswalde endlich zu handeln. Die Pistole dafür hatte er sich früher besorgt, er ist bereit, alles zu riskieren. In der verbleibenden Zeit, etwa eine Woche lang, fährt er ziellos durchs Land, steigt in Hotels in Greifswald und Heiligendamm ab und streift gedankenverloren in der pommerschen Provinz umher. Am Morgen der Parteiveranstaltung spielt er noch einmal alles durch, bis plötzlich ein unerwartetes Ereignis alle Pläne zunichte macht und die deutsche Geschichte ihren bekannten Fortgang nimmt. 

Der Roman spielt in einem politisch-historischen Rahmen, ähnlich den Romanen Volker Kutschers. Das scheint auch so beabsichtigt zu sein, wobei sich Stolz dabei bemüht, empathisch die historische Situation aus der damaligen Zeit zu reflektieren. Sein Held Hermann Grau erscheint dem Leser wesentlich authentischer und sympathischer als Kommissar Gereon Rath in „Babylon Berlin“. Die Verknüpfung von Historie mit einer intensiven Liebesgeschichte ist Stolz gelungen. Die Handlung ist durchgängig spannend erzählt und verzichtet auf politisch wohlfeile Belehrungen.

Rolf Stolz: Fast ein Attentat. Epubli Verlag, Berlin 2022, broschiert, 120 Seiten, 7,99 Euro