© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 51/22 / 16. Dezember 2022

Umwelt
Grüne Strommangellage
Volker Kempf

Vor lauter wetterbedingtem Strommangel mußte „The Länd“ am 7. Dezember Strom aus der Schweiz hinzukaufen – sonst hätte ein Netzausfall gedroht. Denn das von den Werbeagenturen „Jung von Matt Neckar“ und „Milla & Partner“ für 21 Millionen so genannte Baden-Württemberg mag keinen deutschen Kohle- und Atomstrom, kann aber mangels Leitungen kaum vom Windstrom aus dem Norden profitieren. Ist es wolkig oder winterlich, droht es überall finster zu werden, denn dann gibt es auch fast keinen Sonnenstrom. Eine TransnetBW-App warnte daher Stunden vor der absehbaren Strommangellage die Verbraucher, zwischen 14 und 15 Uhr möglichst wenig Strom zu nutzen: Auf Bügeln und – passend zur Plätzchenzeit – Backen könne doch verzichtet werden, empfahl TransnetBW-Sprecherin Annett Urbaczka im Sender SWR. Die Gasmangellage hat die Situation zusätzlich verschärft: Es mangelt an Grundlaststrom.

Gab es trotz der auf „Rot“ stehenden Stromampel wirklich keinen Grund zu einer echten „Warnung“?

Nach der Ölkrise 1973/74 wurden Stromkapazitäten geschaffen, heute geht es um Kraftwerksabschaltung. Die Ministerpräsident Winfried Kretschmann so begeisternde Werbekampagne „The Länd“ mit dem Slogan „Nett hier. Aber waren sie schon mal in Baden-Württemberg?“ erhält damit einen neuen Sinn: Nah am Blackout und damit in der Ungemütlichkeit? Aber nein, klärt Unternehmenskommunikatorin Urbaczka mit ihrem erfahrenen „Händchen für Menschen und komplexe Zusammenhänge“ auf: Es gab trotz der auf „Rot“ stehenden Strom-ampel keinen Grund zur „Warnung“, nur für einen „Hinweis“, in solcher Situation bitte Strom zu sparen. Man mag hier zurufen, das „Musterländle“ ist auch nicht mehr, was es einmal war, es ist zum Musterfall für das Stromkrisenmanagement geworden. Auch Weihnachtsbäume im öffentlichen Raum, die mit Fahrraddynamo betrieben werden, wurden hier schon gesichtet und der Presse vorgestellt. Möge also niemand behaupten, das südwestdeutsche „Länd“ sei keines der Erfinder und Tüftler mehr.