© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 52/22 - 01/23 / 23. Dezember 2022

Mauern an der EU-Außengrenze
Ein Wiener Fenster
Andreas Mölzer

Da hat sich Österreichs Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) bei den jüngsten EU-Gipfeltreffen ganz schön weit hinausgelehnt. Einerseits hat er namens der Alpenrepublik ein Veto eingelegt gegen den Schengen-Beitritt Bulgariens und Rumäniens, andererseits hat er es gewagt, das Tabu der EU-Außengrenzmauern zu brechen. Sein Argument: das Asylsystem hat völlig versagt. Österreich hat 2022 mit etwa 100.000 Asylansuchen und ähnlich vielen Ukrainern die Grenze des Erträglichen überquert. 

Nun mögen zwar jene recht haben, die darauf hinweisen, daß die so heftig frequentierte Balkanroute über den Westbalkan und Serbien läuft und kaum über Rumänien und Bulgarien. Das Wiener Veto mochte aber doch ein Weckruf für die Brüsseler Zentrale sein. Und Wiens Vorstoß in Sachen Grenzbefestigungen könnte doch dazu führen, daß Brüssel künftig Geld bereitstellt.

Die Haltung Nehammers ist innenpolitisch motiviert. Anders ist auch sein positives Bekenntnis für Bosnien und Herzegovina als EU-Kandidaten nicht zu deuten. Seine im Umfragetief befindliche regierende ÖVP glaubt gegen die aufstrebenden Freiheitlichen wieder auf die Asyl- und Ausländer-Karte setzen zu müssen. Im Jahr 2017 sicherte ihr dies den Wahlsieg. Ob die Österreicher noch einmal darauf hereinfallen, bleibt abzuwarten. Andernfalls stürzt Nehammer.







Andreas Mölzer, heute Herausgeber der Wochenzeitung Zur Zeit, früher FPÖ-EU-Abgeordneter.