© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 52/22 - 01/23 / 23. Dezember 2022

Einsicht? Nein danke!
Die Grünen agieren wie eine Sekte und drohen damit das Land zu ruinieren
Ulrich van Suntum

Kein AfD-Politiker, sondern die promovierte Volkswirtin von der Linken Sahra Wagenknecht sagte: „Für mich sind die Grünen die heuchlerischste, abgehobenste, verlogenste, inkompetenteste und gemessen an dem Schaden, den sie verursachen, derzeit auch die gefährlichste Partei, die wir aktuell im Bundestag haben.“ Und sie steht mit ihrer Meinung nicht allein. 

Zwar kommt die Partei in der wöchentlichen Sonntagsfrage des Meinungsforschungsinstituts infratest-dimap aktuell immer noch auf 18 Prozent Wähleranteil. Aber zugleich können sich 38 Prozent der Befragten „überhaupt nicht vorstellen“, grün zu wählen. Das sind noch mehr als bei der Linkspartei (36 Prozent), während zum Beispiel nur 21 Prozent niemals die SPD wählen und 22 Prozent auf keinen Fall ihr Kreuz bei der Union machen würden.

Die Polarisierung zwischen Grünen-Wählern und Grünen-Hassern hat seit Antritt der Ampelkoalition deutlich zugenommen. Das kommt nicht von ungefähr. Mit dem Ausbleiben der russischen Gaslieferungen und dem hereinbrechenden Winter ist vielen schlagartig klargeworden, was die Energiewende wirklich bedeutet. Schon vorher hatte Deutschland weltweit mit die höchsten Sprit- und Strompreise, dank hoher Ökoabgaben und bedingungsloser Fokussierung auf Erneuerbare Energien. Jetzt aber gehen die Energiekosten buchstäblich durch die Decke, und zusätzlich drohen Blackouts und die Abwanderung ganzer Industriezweige.

Betroffen sind vor allem energieintensive Unternehmen wie die Automobil-, Chemie- und Stahlindustrie. So ist die Produktion der deutschen Chemieunternehmen in der ersten Jahreshälfte eingebrochen, während zugleich die Importe um 27 Prozent zugenommen haben. Da kommen plötzlich Existenzängste auf, und die schöne grüne Welt droht mit einem Mal dunkel und grau zu werden.

Das liegt nicht nur an den steigenden Energiekosten. Zusätzlich überziehen die regierenden Grünen Wirtschaft und Verbraucher mit ständig neuen Vorschriften und Verboten. Und wo immer ein neues Infrastrukturprojekt, eine Industrieanlage oder auch nur ein Supermarkt entstehen soll: die örtlichen Vertreter der vermeintlichen Öko-Partei sind dagegen. So sind sie groß geworden, mit regional organisiertem Widerstand nach dem Sankt-Florians-Prinzip. Es wäre allerdings zu einfach, ihnen generelle Technikfeindlichkeit zu unterstellen. Wenn es etwa um Windräder, Solaranlagen und Wärmepumpen geht, geht ihnen der Ausbau meist gar nicht schnell genug voran.

Dann stört es offenbar auch nicht, daß zum Beispiel für ein einziges Windrad mal eben 1.600 Tonnen Beton mitten in der Landschaft, teils sogar in zuvor unberührten Wäldern versenkt werden müssen. Auch über die massiven Umweltschäden bei der Gewinnung der für die Erneuerbaren nötigen Rohstoffe wird großzügig hinweggesehen, ebenso über die Reyclingprobleme, die damit verbunden sind. So müssen nach Schätzung des Umweltbundesamtes im Laufe dieses Jahrzehnts allein 20.000 Tonnen Rotorblattmaterial entsorgt werden, die aus schwer trennbaren Verbundkunststoffen bestehen. Weitgehend ungelöst sind auch die Fragen einer hinreichenden Speicherbarkeit von Strom und des Transports vom windreichen Norden in den windstillen Süden. Aber wenn es um die von ihnen favorisierten Techniken geht, sind die Grünen grenzenlos optimistisch.

Die Wissenschaft ist anderer Meinung. „Der Systemumbau steckt noch in den Anfängen und wird sicherlich noch 20 bis 30 Jahre benötigen“, sagt etwa Harald Schwarz, Energieexperte an der TH Cottbus. So dauere allein der Bau eines Pumpspeichers 15 bis 20 Jahre, sofern der Eingriff in die Landschaft überhaupt genehmigt werde. Sein Kollege Michael Beckmann von der TU Dresden ergänzt: „Die Größenordnung der Transformation wird permanent unterschätzt.“ Beide plädieren deshalb für eine Rückkehr zur Kernenergie, womit sie aber bei den Grünen nach wie vor auf taube Ohren stoßen. Vehement versuchen diese vielmehr zu verhindern, was nicht in ihre vorgefaßte Weltsicht paßt. Ob Kernenergie, Wasserstoff-Elektrolyse oder andere innovative Ideen – alles wird ignoriert, kaputtgeprüft oder gleich ganz verboten, sobald man dafür die nötige Macht besitzt. Selbst Grundlagenforschung zur Kernfusion ist unter dem grünen Einfluß in Deutschland schon seit langem nicht mehr möglich. Mit dem Ergebnis, daß die Fachleute auswanderten und sich jetzt die USA über einen entscheidenden Durchbruch freuen können.

Dahinter steht die felsenfeste Überzeugung der grünen Gemeinde, man wisse ohnehin bereits, wo die Reise technisch hingehe. Und vor allem auch, wohin auf keinen Fall. „Alles mit Atomen und Genen ist uns nicht geheuer“, drückte es ein selbstkritischer Parteistratege aus Baden-Württemberg einmal aus. Um so sicherer ist man sich aber bei Verkehr und Klimawandel: E-Auto gut, Verbrenner schlecht, Kälte hui, Wärme pfui. So einfach ist die grüne Welt, auch wenn die Realität weitaus komplexer ist. Vielleicht macht dieses unerschütterliche Selbstbewußtsein sogar einen Teil ihres Erfolges bei den Wählern aus. Denn wie in einer religiösen Sekte schätzen viele eine klare Botschaft, an der man sich festhalten kann, ohne selbst nachdenken zu müssen.

Entsprechend ambivalent ist das Verhältnis der Grünen zur Wissenschaft. Wenn es um ihre Kernthemen geht, akzeptieren sie weder Vielfalt der Meinungen noch Ergebnisoffenheit der Forschung. Das „Canceln“ unerwünschter Ansichten geht ganz wesentlich auf ihren Einfluß und den ihrer Fußtruppen an den Universitäten zurück. Forschungsgelder bekommt man ohnehin nur noch, wenn klar ist, daß die Richtung stimmt. 

Mitunter wird sogar Gewalt angewendet, etwa zur Verhinderung der Vorträge von „Klimaleugnern“ oder gender-kritischen Vorlesungen. Ohnehin ist ein Kernelement grüner Politik die Erzeugung von Angst. Ob Waldsterben, Ozonloch, Chlorhühnchen oder Klimakatastrophe – stets wird an die Urängste der Menschen appelliert und die eigene Politik als einziger Ausweg gewiesen. Auch darin ist die Partei religiösen Fanatikern nicht unähnlich.