© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 52/22 - 01/23 / 23. Dezember 2022

Verhandlungen selbst mit Kommunisten
USA: Der Migrationsdruck im Süden der USA wächst der Regierung Biden über den Kopf
Paul Leonhard

Die Probleme an der Südgrenze der USA wachsen mit jedem Tag, und die ungesteuerte Migration setzt die Biden-Regierung unter Druck, von rechts und von links. Bisheriger Höhepunkt war Mitte Dezember, als zum gleichen Zeitpunkt fast 700 Personen den Rio Bravo, der Mexiko und Texas trennt, durchquerten, um sich auf US-Territorium angekommen, der Grenzpolizei zu stellen. Neben 74 Migranten aus Nicaragua, 49 aus Kolumbien, jeweils drei aus Ecuador und Mexiko sowie zwölf unbegleiteten Kindern bestand der größte Teil der Gruppe aus 535 Kubanern. Und offenbar warten weitere Lateinamerikaner auf einen geeigneten Moment für den Grenzübertritt.

Nicht nur Tom Schmerber, Sheriff von Maverick County, warnte angesichts dieser bisher größten dokumentierten Gruppe vor einer Migrationskrise in der Region. Auch Heimatschutzminister Alejandro Mayorkas befürchtet offenbar, daß noch vor Weihnachten alle Dämme brechen: „Die wirtschaftliche und politische Instabilität auf der ganzen Welt führt zu den höchsten Migrationsraten seit dem Zweiten Weltkrieg, auch in der westlichen Hemisphäre“, sagte er.

Zwischen Oktober 2021 und Ende September 2022 registrierte die US-Grenzschutzbehörde mehr als zwei Millionen Versuche illegal in die USA zu gelangen. In  vielen Fällen davon handelt es sich um Kubaner. Mehr als 253.000 (und damit fast drei Prozent der Bevölkerung) waren es in den vergangenen 13 Monaten seit Wiedereröffnung der kubanischen Flughäfen, fast 30.000 allein im Oktober. Sie sind inzwischen nach den Mexikanern die zweihäufigste Nationalität, die von den US-Grenzbehörden registriert wird, mit der Besonderheit, daß Kubaner, sobald sie US-Territorium erreicht haben, Sonderrechte genießen, die sie – von wenigen Fällen abgesehen – vor einer Abschiebung bewahren.

 Fieberhaft verhandeln nun US-Diplomaten mit den Herkunftsländern, um die „ungeordneten“ Migrationsströme zu regulieren. So stimmte Mexiko nach langen Verhandlungen einer Vereinbarung zu, die es den US-Grenzbehörden erlaubt, illegal ins Land gekommene Venezuelaner zurückzuschicken. Gleichzeitig sollen jährlich bis zu 24.000 Venezolaner eine Aufenthaltsgenehmigung für die USA erhalten, wenn sie einen US-Bürger als Bürgen benennen können, einen vollständigen Impfpaß besitzen und nicht als Gefahr für die öffentliche Sicherheit gelten. Gleiches plant das Heimatschutzministerium mit Kuba. Nach zwei Verhandlungsrunden teilte die US-Botschaft mit, ab 4. Januar wieder Einwanderungsanträge von Kubanern zu bearbeiten, mindestens 20.000 im Jahr. Diese beziehen sich allerdings nur auf Familienzusammenführungen.