© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 52/22 - 01/23 / 23. Dezember 2022

Filmkritik Eiskalter Engel
Verhängnisvolle Affäre
Werner Olles

Mit seinem erfolgreichen Debütroman „Inexorable“ wurde der Schriftsteller Marcel Ballmer (Benoit Poelvoorde) zum Star der Literaturszene. Doch nun leidet er unter einer Schreibblockade und kommt mit seinem neuen Buch nicht recht voran. Durch den gemeinsamen Umzug mit seiner wohlhabenden Ehefrau und Verlegerin Jeanne (Melanie Doutay) und der kleinen Tochter Lucie (Janaina Halloy Fokan) in ein schloßähnliches Chateau hofft er auf einen geistigen Energieschub, der sich jedoch nicht einstellen will. Als während eines Spaziergangs auch noch Jeannes Hundewelpe verlorengeht, setzt ihn dies zusätzlich unter Druck.

Wenige Tage später taucht plötzlich eine junge Frau bei der Familie auf, die den Welpen gefunden hat und ihn nun zurückbringt. Gloria (Alba Gaia Bellugi) bringt mit ihrem Erscheinen nicht nur Schwung ins Leben der Familie, die sie aus Dankbarkeit als Kindermädchen für Lucie einstellt, sie gibt sich auch als großer Fan des Autors aus. Marcel fühlt sich geschmeichelt, zudem übt die äußerst anziehende Gloria eine starke erotische Faszination auf ihn aus. So ist es nur eine Frage der Zeit, bis er eine Affäre mit dem jungen Mädchen beginnt, diese jedoch schnell wieder beenden will, als er merkt, daß er seine Ehe damit zerstört. Wenig später wird ihm klar, daß das Zusammentreffen mit Gloria alles andere als ein Zufall war …

Der Hochglanz-Thriller „Eiskalter Engel“ („Inexorable“, 2021) von Fabrice du Welz um einen Schriftsteller, der mit Minderwertigkeitskomplexen gegenüber seiner reichen und dominanten Ehefrau und einer nervenden Schreibblockade zu kämpfen hat, ist überaus stimmig inszeniert, wenngleich auch zum Teil vorhersehbar. Auf den Fantasy Filmfest Nights 2022 gefeiert, erinnert der Plot an ähnlich gelagerte Produktionen wie „Orphan, das Waisenkind“ oder „Dead Illusions“, doch du Welz fügt der psychologischen noch eine handfeste erotische Komponente hinzu, die von Alba Gaia Bellugi („Ziemlich beste Freunde“) als Lolita mit Unschuldsmiene, aber gefährlichen Plänen bravourös ausgefüllt wird. Wie es ihr mit List und Tücke gelingt, die Familie zu infiltrieren und besonders Marcel und die kleine Lucie zu instrumentalisieren, wird spannungsreich erzählt. „Eiskalter Engel“ steigert seine Dramatik langsam, und trotz mancher Logikbrüche ist man geneigt, sich auf die zahlreichen Intrigen einzulassen und den Mangel an Originalität zu übersehen.

DVD/Blu-ray: Eiskalter Engel. Plaion Pictures 2022, Laufzeit etwa 99 Minuten