© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 52/22 - 01/23 / 23. Dezember 2022

Als aus Rhodesiern Malteser wurden
Vor 500 Jahren kapitulierte der Johanniter-Orden auf der befestigten Ägäisinsel Rhodos gegen die türkischen Belagerer
Jan von Flocken

Kaum hatte Sultan Suleiman I. im September 1520 den Thron in Konstantinopel bestiegen, fand er deutliche Worte. Es sei ihm unerträglich, „daß mitten im Türkischen Meer (gemeint war damit die Ägäis) eine Inselfestung mit anmaßenden ungläubigen Rittern unseren Handel und unsere Schiffahrt bedroht“. Diese Kampfansage zielte auf die von Rittern des Johanniter-Ordens verteidigte Mittelmeer-Insel Rhodos. Nachdem türkische Truppen im August 1521 Belgrad erobert hatten, wurde es ernst für die wenigen Kämpfer auf der Insel.

Eine Invasionsflotte von 350 Schiffen erschien am 26. Juni 1522 vor dem Hafen von Rhodos. Kommandiert wurde sie von Tschoban Mustafa Pascha, einem Schwager Suleimans. Der Sultan selbst kam zwei Tage später mit einer Armee von etwa 140.000 Soldaten, darunter die Elitetruppe der Janitscharen mit 10.000 Mann, vor den Mauern an. Die Zahl der Verteidiger war dagegen erschreckend gering. Insgesamt umfaßte die Garnison der Stadt mit ihren 290 Ritterbrüdern und deren 300 Mann zählendem bewaffneten Gefolge sowie knapp 1.000 europäischen Seeleuten und Soldaten nebst einer einheimischen Miliz etwa 4.000 Mann.

Die Verteidiger standen unter dem Kommando von Philippe de Villiers de l’Isle-Adam. Der Herr aus französischem Uradel war zwei Jahre zuvor zum Großmeister des Ordens der Johanniter gewählt worden. Der 1099 im Nahen Osten gegründete „Orden des heiligen Johannes zu Jerusalem“ widmete sich ebenso wie andere bedeutende Orden, so die Templer und die Deutschen Ritter, der Krankenpflege und dem Schutz von christlichen Pilgern. 1113 erkannte Papst Paschalis II. die Bruderschaft als Vorkämpfer der Kirche an.

Während der mittelalterlichen Kreuzzugs-Ära zeichneten sich die aus allen Teilen Europas stammenden Johanniter durch große Tapferkeit aus. Dennoch mußte bis 1291 der gesamte Nahe Osten von den Christen wieder aufgegeben werden. Die Johanniter besetzten schließlich von Zypern aus 1309 die Insel Rhodos in der südlichen Ägäis. Mit dieser komfortablen Stellung beherrschten sie die Handelswege im östlichen Mittelmeer und trotzten mehreren Belagerungen durch islamische Flottenverbände.

Nach der Eroberung Konstantinopels durch die Türken im Jahre 1453 wurde die Situation der Johanniter extrem gefährlich. Deshalb bauten sie Rhodos in den folgenden drei Jahrzehnten zu einer gewaltigen Festung aus. Massive Mauern, zehn freistehende Wehrtürme sowie Wall und Graben schützten das Areal zwischen den Buchten von Mandracchio und Acandia. Die Hafeneinfahrt wurde durch eine schwere Eisenkette versperrt. Der Großmeister unterteilte die Mauern seiner Festung in mehrere Abschnitte, für deren Schutz die jeweiligen Sprachgebiete des Ordens verantwortlich waren. Den Nordwesten der Stadt verteidigten französische und deutsche Ordensritter.

Im Sommer 1522 blockierten die Türken den Hafen und beschossen die Stadt mit schwerer Artillerie von der Landseite, gefolgt von fast täglichen Infanterieangriffen. Sie versuchten auch, die Befestigungen durch Tunnel und Minen zu untergraben. Das Kanonenfeuer fügte den starken Mauern nur allmählich ernsthaften Schaden zu. Aber am 5. September explodierten zwei große Minen aus Schießpulver unter der Bastion der Engländer, wodurch ein elf Meter langer Teil der Mauer einstürzte. Die Türken griffen diese Bresche sofort an, wurden aber von englischen und deutschen Rittern unter Führung des Großmeisters zurückgeschlagen.

Johanniter vereinten Kämpfer 

aus allen Ländern Europas

Am 24. September befahl Tschoban Mustafa Pascha eine massive Attacke der Janitscharen auf vier Bastionen im Osten, die nach wütenden Kämpfen scheiterte. Ein weiterer großer Angriff konnte Ende November abgewehrt werden. Beide Kontrahenten waren mittlerweile erschöpft, die wenigen Johanniter ohnehin, aber auch die türkischen Truppen zeigten sich nach enormen Verlusten und Krankheiten in ihren Lagern zunehmend demoralisiert. Also bot Sultan Suleiman den Verteidigern Frieden, ihr Leben und Verpflegung an, wenn sie sich ergaben, aber Tod oder Sklaverei, wenn er gezwungen wäre, die Stadt gewaltsam zu erobern.

Schließlich fiel am 17. Dezember die Bastion der spanischen Aragoneser, und es war nur noch eine Frage der Zeit, bis Rhodos sich ergeben mußte. Also akzeptierten die Johanniter am 22. Dezember 1522 Suleimans großzügige Bedingungen. Sie bekamen zehn Tage Zeit, um die Insel zu verlassen und durften ihre Waffen, Wertsachen und Heiligenbilder mitnehmen. Keine Kirche würde entweiht oder in eine Moschee umgewandelt werden.

Mit wehenden Fahnen und in ungebrochener Haltung schifften sich die Johanniter am 1. Januar 1523 nach Europa ein. 1530 erreichte sie in Italien das Angebot von Kaiser Karl V., die Insel Malta als neues Domizil zu beziehen. Die Ordensritter griffen dankbar zu und wollten Malta so schnell wie möglich zu einer unbezwingbaren Mittelmeer-Bastion gegen Türken und Seeräuber ausbauen. Deshalb traten sie nicht als fremde neue Oberschicht auf, sondern identifizierten sich mit der Inselbevölkerung. Ihren bisherigen Namen „Rhodesier“ legten sie ab und führen bis heute offiziell den Namen „Malteser“.