© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 52/22 - 01/23 / 23. Dezember 2022

Viel mehr als eine fromme Fiktion
Der Journalist Michael Hesemann präsentiert archäologische Beweise für die Korrektheit der Aussagen des Alten Testaments
Thomas Schäfer

Im Jahre 1955 veröffentlichte der promovierte Jurist, ehemalige Widerstandskämpfer und nunmehrige Journalist Werner Keller das Buch „Und die Bibel hat doch recht“, welches nachfolgend in 24 Sprachen übersetzt und in über zehn Millionen Exemplaren gedruckt wurde. Keller vertrat darin die Ansicht, daß vielfältige archäologische Beweise für die Korrektheit der Aussagen des Alten Testaments existierten. Mit deren Präsentation lag er oftmals richtig, manchmal aber auch nicht. Außerdem erbrachten die vielen Ausgrabungen in Ägypten, Israel, Jordanien und Saudi-Arabien seit 1955 zahllose neue Erkenntnisse. Insofern war es dringend an der Zeit, Kellers Werk durch eine rundum aktualisierte Darstellung zu ersetzen. Und diese liegt nun endlich vor, wobei deren Titel signalisiert, daß sie im Prinzip keiner anderen argumentativen Linie folgt. Verfasser ist der Journalist Michael Hesemann, welcher bereits seit 1997 über biblische Archäologie schreibt.

Hesemann bezeichnet sich selbst als „romtreuen Katholiken“ und sieht die Heilige Schrift daher naturgemäß als Quelle, welche es „verdient, wieder respektiert zu werden“, weil sie uns nicht nur verrate, „wer wir sind und wohin wir gehen, sondern auch, woher wir wirklich kommen“. Dabei vertritt er folgende Grundthesen: Zum ersten beschreibe das Alte Testament drei allesamt archäologisch belegbare Abschnitte der Geschichte Israels, nämlich eine mythologische Phase, eine prähistorische Phase, die mit dem Auftauchen Abrahams beginne, und eine historische Phase ab der Salbung des ersten Königs Saul. Zum zweiten hätten Josef oder einer von dessen Söhnen im 17. Jahrhundert v. Chr. aus der ersten Alphabetschrift der Welt, also dem Protosinaitischen, eine genuin jüdische Schrift entwickelt. Und zum dritten seien die fünf Bücher Mose (Genesis, Exodus, Levitikus, Numeri und Deuteronomium) bereits zur Zeit von König Salomo im 10. Jahrhundert v. Chr. auf der Grundlage schriftlicher Dokumente und mündlicher Überlieferungen zusammengestellt worden.

Es gibt klimatologische Belege 

für die biblischen Plagen

Damit wendet sich Hesemann dezidiert gegen die sogenannten „Minimalisten“, deren Zahl mit der galoppierenden Religionsfeindlichkeit ab Ende der 1960er Jahre deutlich zunahm und die einen Standpunkt vertreten, den der US-amerikanische Archäologe William Dever kurz und bündig so zusammenfaßte: „Die Bibel ist eine ‘fromme Fiktion’, nicht historisch fundiert.“ Für Hesemann sind die rigiden Bibelskeptiker Vertreter einer überholten Lehrmeinung, die inzwischen auch die nachgerade überwältigenden Belege ignorierten. Und diese Beweise versucht Hesemann dann auch auf akribische Art und Weise vorzustellen, wobei er nicht versäumt, ausreichend Bildmaterial mitzuliefern.

Seine Darstellung beginnt mit der Ausgrabung der legendär-sündhaften Stadt Sodom durch den renommierten US-Archäologen Steven Collins auf dem Hügel Tell el-Hammam im östlichen Teil des Jordangrabens ab dem Jahre 2005. Hier fanden sich unter anderem diverse verglaste Keramikscherben, die – wie Untersuchungen aus dem Jahre 2021 ergaben – kurzzeitig Temperaturen von bis zu 12.000 Grad ausgesetzt gewesen sein müssen. Deshalb, so Hesemann, könne man davon ausgehen, daß Sodom, wie auch der vermutlich mit dem zehn Kilometer entfernten Tell Nimrin identische Nachbarort Gomorrha, um 1800 v. Chr. durch einen in der Luft zerberstenden Meteoriten zerstört worden sei.  

Und so geht es dann Kapitel für Kapitel weiter: Für die tatsächliche Existenz der Dürren, Hungersnöte und anderen legendären biblischen Plagen zur Zeit der Erzväter sprächen sowohl klimatologische und weitere naturwissenschaftliche Belege als auch Zitate aus ägyptischen Quellen. Vermutliche Spuren von Josef habe der österreichische Ausgräber Manfred Bietak in den Ruinen der Stadt Avaris im östlichen Nildelta entdeckt. Durch die alten protohebräischen Graffitti von Sarabit al-Chadim auf dem Sinai sei die israelitische Präsenz im pharaonischen Ägypten vor dem Exodus zweifelsfrei gesichert. Für die Richtigkeit der alttestamentarischen Erzählung vom Schilfmeerwunder während des Exodus, also des Auszuges der Israeliten aus Ägypten, sieht Hesemann ebenfalls schlüssige Beweise vorliegen: Am Manzala-See westlich des heutigen Suez-Kanals könne sich bei Ostwind kurzzeitig eine Landbrücke bilden, die aber meist sehr schnell wieder überflutet werde. Das erkläre, wieso sich das Meer vor den Flüchtenden geteilt habe, während das nachfolgende Heer des Pharao ertrank.

Ebenso verweist der Autor auf eine 1972 in Izbet Sartah, dem biblischen Eben-Ezer, gefundene beschriftete Tonscherbe aus dem 11. Jahrhundert v. Chr. mit der Zusammenfassung des Inhaltes der Kapitel vier bis sieben des Ersten Buches ­Samuel, in denen es um den Verlust und die Rückkehr der Bundeslade geht, was ein starkes Indiz für deren tatsächliche Existenz ist. Allerdings verrät auch diese Quelle nichts über die rätselhafte Beschaffenheit des mythischen Kultgegenstandes. Zum Schluß beschreibt Hesemann archäologische Befunde, welche zweifelsfrei von der Historizität der Könige Saul, David und Salomo zeugen und zudem stark darauf hindeuten, daß diese keineswegs unbedeutende Stammesfürsten waren, sondern Herrscher über einen mächtigen eisenzeitlichen Staat.

Michael Hesemann: Die Bibel hat recht. Archäologen auf den Spuren des Alten Testaments. Langen Müller Verlag, München 2022, gebunden, 352 Seiten, Abbildungen, 36 Euro