© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 52/22 - 01/23 / 23. Dezember 2022

Meldungen

Die 200 Musterdörfer der deutschen Energiewende

GÖTTINGEN. Die 750-Seelen-Gemeinde Jühnde wurde Ende der 1990er Jahre vom Interdisziplinären Zentrum für Nachhaltige Entwicklung der Universität Göttingen (IZNE) als „Bioenergiedorf“ auserwählt. Pionierarbeit leistete die Agraringenieurin Marianne Karpenstein-Machan (Uni Kassel), die 1997 über Energiepflanzenbau habilitierte. Sie betreute damals die sechs Vollerwerbs- und drei Nebenerwerbslandwirte, die sich auf das Freilandexperiment eingelassen hatten, Mais anzubauen und Gülle für Biogasanlagen zu liefern. 2005 konnte das Projekt ans Netz gehen. Alle Bauern des Dorfes machten mit, zwei Drittel der Haushalte wurden mit Strom und Wärme einer genossenschaftlich betriebenen Biogasanlage versorgt. Heute gibt es knapp 200 solcher Bioenergiedörfer in Deutschland, die zu mehr als 50 Prozent Strom aus nachhaltigen lokalen Quellen beziehen und deren Heizkosten zwischen 25 und 48 Prozent niedriger liegen als im Bundesdurchschnitt. Für Städte eigne sich das Konzept „weniger“, weil der nötige Zusammenhalt der Bürger „schwieriger zu organisieren ist“ (Deutsche Universitätszeitung, 11/22). (ck)

 energiewendedörfer.de





Zugvogelforschung: Auf dem Rücken der Fahrtenschreiber

PLÖN. Am härtesten treffe die „Klimakrise“ die Langstreckenflieger unter den Zugvögeln. Falls sie im Herbst zu spät losfliegen, kann es schon zu kalt sein, und sie erfrieren auf dem Zug. Das ist eine der Erkenntnisse, die Miriam Liedvogel (Max-Planck-Institut für Evolutionsbiologie) bei ihren Forschungen zum Orientierungsvermögen von Zugvögeln gewonnen hat. Wie Fledermäuse, Fische oder Wale gehorchten auch sie der „Lust am Ziehen“. Sie folgen dabei einem genetischen Programm, das vererbt wird und nicht flexibel auf Veränderungen wie den Klimawandel reagiert. Liedvogel will herausfinden, welche Gene den Vogelzug steuern, welche Routen sie vorgeben, wie lange die Vögel pausieren und wo ihre Winterquartiere liegen. Da die GPS-Sender für die nur 20 Gramm wiegenden Mönchsgrasmücken zu schwer sind, werden sie mit 0,5 Gramm leichten „Fahrtenschreibern“ ausgerüstet: Fotozellen, die die Tages- und Nachtlänge aufzeichnen (Max Planck Forschung, 3/22). (dm)

 evolbio.mpg.de





Alkoholfreies Bier und Radler immer beliebter

WIESBADEN. Wie das Rauchen gilt auch der Alkoholkonsum als Kostentreiber im Gesundheitswesen. Für Krankenkassen dürfte daher eine gute Nachricht gewesen sein, was das Statistische Bundesamt verkündet: Alkoholfreies Bier wird in Deutschland zunehmend beliebter. Insgesamt 411 Millionen Liter im Wert von 358 Millionen Euro seien im Jahr 2021 gebraut worden. Damit sei die Produktion in den vergangenen zehn Jahren um 74,1 Prozent gestiegen. Noch 2011 wurden nur 236 Millionen alkoholfreies Bier hergestellt. Etwas niedrigprozentiger als reguläres Bier, aber nicht gänzlich alkoholfrei sind Biermischgetränke wie Radler. Deren Produktion habe seit 2011 ebenfalls signifikant zugenommen: von gut 326 Millionen Litern auf knapp 403 Millionen Liter. Das entspreche einem Zuwachs von 23,6 Prozent (Natur, 11/22). (kv)





Erkenntnis 

„Wir müssen hierzulande viel mehr Gas fördern, in der Nordsee und auch per Fracking. Und wir müssen selbstverständlich die Kernenergie weiterlaufen lassen. Olaf Scholz ist kein biblischer Prophet, aber er kommt mir so vor, wenn er vorhersagt, daß wir ab Ostern keine Kernkraftwerke mehr brauchen. Das hat eine missionarische Aura, aber das reicht nicht. Wir müssen auch unsere Kohlekraftwerke so lange nutzen, bis wir Alternativen haben.“

Christian Kullmann, Vorstandschef des Essener Chemiekonzerns Evonik Industries AG