Familienunternehmen sind der wichtigste Motor der deutschen Volkswirtschaft. Das zeigt ein Vergleich der 500 Branchengrößten mit dem Deutschen Aktienindex im Zeitraum 2011 bis 2020. Während die 26 nicht von Eigentümer-Familien kontrollierten Konzerne im Dax 30 im ersten Corona-Jahr Beschäftigung abbauten, schufen die 500 größten deutschen Familienunternehmen weiterhin neue Arbeitsplätze. Die Untersuchung des Instituts für Mittelstandsforschung der Universität Mannheim (IfM) analysiert die „Top 500“ unter anderem nach Umsatz und nach Beschäftigung im Zehn-Jahres-Zeitraum.
Der Dax wurde erst im Herbst 2021 auf 40 Unternehmen aufgestockt. Die im bisherigen Dax 30 gelisteten Familienunternehmen Henkel, Volkswagen, Merck und Beiersdorf wurden als Weltkonzerne ebenfalls nicht in die Vergleichswerte mit einbezogen. Laut der IfM-Untersuchung bauten die Top 500 ihre Beschäftigung in Deutschland um 25 Prozent aus, während die Dax-26-Unternehmen die Inlandsbeschäftigung nur um vier Prozent steigerten. Insgesamt schufen die Top 500 im betrachteten Zeitraum über 1,5 Millionen neue Arbeitsplätze weltweit, die Dax-26-Unternehmen hingegen rund 390.000.
Im Schnitt 99,6 Jahre alt und vor allem in Westdeutschland ansässig
Als die Stiftung Familienunternehmen die beiden Unternehmensgruppen 2007 erstmals wissenschaftlich untersucht ließ, hatten beide nahezu die gleiche Beschäftigtenzahl in Deutschland. „Gerade mit Blick auf die aktuellen Preis- und Rohstoffkrisen und die Gefahren für die Konjunktur sollte sich die deutsche Öffentlichkeit bewußt sein: Familienunternehmen sind der Stabilitätsanker Deutschlands und tragen maßgeblich zu unserem Wohlstand bei“, erklärte Rainer Kirchdörfer, Professor an der Uni Witten-Herdecke und Vorstand der Stiftung Familienunternehmen. Sie konnten Krisen besser überstehen und „ihre Belegschaft auch in schwierigen Zeiten zusammenhalten“.
In den Top-500-Familienunternehmen arbeiteten im Coronajahr 2020 weltweit sechs Millionen Menschen, bei den Dax-26 waren es mit 3,1 Millionen Beschäftigten nur gut die Hälfte. Große Familienunternehmen sind vor allem im verarbeitenden Gewerbe und im Handel tätig. NRW ist traditionell das Bundesland mit den meisten Top-500-Familienunternehmen; mit deutlichem Abstand folgen Baden-Württemberg und Bayern. Betrachtet man allerdings die umsatzstärksten Firmen, so sitzen die meisten in Baden-Württemberg, gefolgt von NRW und Niedersachsen.
Die untersuchten Familienunternehmen sind im Schnitt 99,6 Jahre alt. Denn das erste deutsche Wirtschaftswunder begann mit der Reichgründung 1871. Der Gründungsmedian liegt überraschenderweise im Jahr 1929, das heißt, rund die Hälfte der noch immer aktiven großen Firmen wurde bereits vor diesem Börsenkrisenjahr gegründet. Nach 1999 wurden nur zehn neue große Familienunternehmen gegründet – schnellebige „Start-ups“ sind mit eben nicht heimatverbunden. Von den 628 insgesamt berücksichtigten Familienunternehmen werden immerhin 438 noch von Familienmitgliedern geführt. Diese Firmen sind im Schnitt 18 Jahre jünger als die nicht-familiengeführten Unternehmen.
Die Auswertung zeigt, daß es mit zunehmendem Firmenalter schwieriger wird, eine familieninterne Nachfolge zu etablieren. Nur wenige Firmen verloren im Untersuchungszeitraum den Status als Familienunternehmen durch Verkauf an deutsche oder ausländische Investoren. Bekanntestes Beispiel ist die Düsseldorfer Metro-Gruppe, die seit dem Verkauf erheblicher Anteile an die Handelsfirma EP Global Commerce des Slowaken Patrik Tkáč und des Tschechen Daniel Křetínský die Kriterien für ein deutsches Familienunternehmen nicht mehr erfüllt. Die Metro-Ausgründung Ceconomy (Mediamarkt, Saturn) ist hingegen mehrheitlich noch in deutschem Familienbesitz.
Regional verwurzelt und dennoch erfolgreich auch global orientiert
Die hessische Pharmafirma Biotest ging 2018 an die chinesische Creat Group, der hessische Auto- und Industriezulieferer Veritas wurde im Dezember 2022 an die türkischen Familienunternehmen von Baran Çelik (Beyçelik Holding) und Nüvit Gündemir (UİB) verkauft und der Ravensburger Elektronikhersteller Rafi wurde 2020 von der kalifornischen Investmentgesellschaft Oaktree Capital Management übernommen. Die größten deutschen Discounter (Schwarz-Gruppe: Lidl, Kaufland; Aldi Nord+Süd, Trader Joe’s, Hofer) sind bislang keine Übernahmekandidaten, sondern sie spielen in einer Liga mit den US-Giganten Walmart, Costco und Kroger. Auch um Bosch, Heraeus, Phoenix Pharma, Boehringer Ingelheim oder die Bertelsmann-Gruppe muß man sich keine Sorgen machen.
Die Corona-Auswirkungen lassen sich aber bereits ansatzweise erkennen. So ist die Beschäftigung bei den beschäftigungsstärksten Familienunternehmen zwar 2020 erneut gestiegen, allerdings nur noch ein Viertel so stark wie im Vorjahr. Bei den Umsätzen der umsatzstärksten Top 500 zeigt sich absolut ein Rückgang um drei Prozentpunkte. Das Umsatzwachstum von gut vier Prozent im Vorjahr kehrte sich in einen Rückgang von über drei Prozent um. Berücksichtigt man nur die Entwicklung im Jahr 2020, so konnten vor allem der Handel, die Informations- und Kommunikationswirtschaft und das Gesundheits- und Sozialwesen absolut gesehen Beschäftigung aufbauen. Das verarbeitende Gewerbe war dagegen ein Beschäftigungsverlierer.
Beim Auslandsumsatz konnten fast alle Familienunternehmen in den Jahren von 2011 bis 2019 wachsen, bevor 2020 durch die Pandemie empfindliche Einbußen zu verzeichnen waren. Die wachstumsstärksten Firmen erzielen inzwischen über 60 Prozent ihres Gesamtumsatzes im Ausland. Insgesamt hoffen die Familienunternehmer auf mehr Unterstützung durch die Politik: „Es ist essentiell, diese Unternehmensform in der derzeit so angespannten Lage nicht zu benachteiligen“, sagte Kirchdörfer. Wolfgang Grupp, Chef der Textilfirma Trigema, sagt es seit Jahren aber noch deutlicher: „Denen, die die persönliche Haftung für ihr Tun übernehmen, müssen 50 Prozent Steuerrabatt eingeräumt werden.“
„Top-500-Familienunternehmen in Deutschland“: www.familienunternehmen.de