© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 10/23 / 03. März 2023

Umwelt
Der Wolf und sein Landrat
Paul Leonhard

Erst sollte es lediglich einem Problemwolf an den Kragen gehen. Jetzt aber hat der Görlitzer Landrat Stephan Meyer die gesamte Wolfsmanagementverordnung als „in der Praxis untauglich“ kritisiert, sie verschärfe die Konflikte eher, so der CDU-Politiker. Er verlangt eine „kritische Selbstreflexion der Fachstelle Wolf“ und eine „Entschuldigung gegenüber dem Tierhalter“. Damit ist Ralf Nahrstedt gemeint, der in Krappe, einem Ortsteil von Löbau in der sächsischen Oberlausitz, eine Damwildherde hält, die wiederum eine beliebte Nahrungsquelle für einen Wolf darstellt. Mehr als zwei Dutzend Tiere hat das Raubtier schon gerissen –  obwohl das Gehege mit einem 180 Zentimeter hohen Zaun und einem 50 Zentimeter breiten Untergrabschutz gesichert ist. Ein derart gewitzter Isegrim darf abgeschossen werden; dem entsprechenden Antrag wurde zugestimmt. Allerdings fand sich aus Angst vor militanten Tierschützern zunächst kein Jäger, dann kassierte das Landesumweltamt (LfULG) die Abschußgenehmigung.

Das Urteil ist weder gegenüber dem Tierhalter noch der Bevölkerung oder Jägern vermittelbar.

Eine „interne Revision“ habe ergeben, daß an einer Stelle der 1,3 Kilometer lange Zaun „leicht nach außen geneigt und nur etwa 1,60 bis 1,70 Meter hoch“ sei. Das hatten Tierschützer dokumentiert, gegen das Todesurteil für den Wolf geklagt und vor Gericht recht bekommen. Nahrstedt, der auch Urlaub auf dem Bauernhof anbietet, hat seinen Zaun repariert. Er soll aber auf 2,80 Meter aufstocken oder einen zweiten Zaun ziehen, da der Wolf an einer Stelle von einer Straßenböschung aus ins Gehege springt. Erst dann kann der Abschuß erneut beantragt werden – deshalb ist Landrat Meyer offenbar der Kragen geplatzt. Er müsse zwar die Gerichtsentscheidung akzeptieren, halte sie aber für „nicht mehr nachvollziehbar“ und „weder gegenüber dem Tierhalter noch der Bevölkerung und den für die Umsetzung zur Verfügung stehenden Jägern vermittelbar“. Er fordert nun vom LfULG einen rechtssicheren Abschuß, denn der Wolf hat nun weitere Damwildkälber im Gehege gerissen.