© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 13/23 / 24. März 2023

Die Banken taumeln
Weil wir Probleme nicht lösen, sondern verschleppen, droht eine Finanzkrise
Markus Krall

Ein Gespenst geht um in Europa, aber nicht nur da. Erhebt die Banken- und Finanzkrise ihr häßliches Haupt? Nachdem US-Großbanken der First Republic Bank eine 30-Milliarden-Dollar-Hilfe zur Verfügung stellen mußten, kam es am Wochenende auch noch zur spektakulären Übernahme der kriselnden Schweizer Großbank Credit Suisse. Wird es so schlimm wie 2007/08? Oder vielleicht sogar noch schlimmer? 

Die klassischen Kontraindikatoren aus Politik und akademischem Betrieb haben sich zu Wort gemeldet, um beruhigende Nachrichten unters Volk zu bringen. Alle geben Entwarnung: der im Glauben an den Staatsmonopolkapitalismus (sprich: DDR-Wirtschaftsform) aufgewachsene Kanzler Olaf Scholz („Die Gefahr sehe ich nicht“ und noch wichtiger: „Die Spareinlagen sind sicher!“), der assistierende Robert „Häuptling klappriges Windrad“ Habeck („Banken … in robuster Verfassung“), der Weltökonom Marcel Fratzscher („Es ist nicht so besorgniserregend“) und die „Wirtschaftsweise“ Veronika Grimm, nicht die von Grimms Märchen, aber nahe dran („Eine Finanzkrise ist … nicht zu erwarten“). Da auch der allzeit schlagfertige US-Präsident Biden („Eure Ersparnisse sind sicher!“) Ton und Taktung vorgibt, läßt sich bereits jetzt prognostizieren: „Flieht, ihr Narren!“

Das sind die Leute, die uns seit bald 20 Jahren erzählen, man könne Geld drucken, ohne mit den entsprechenden Konsequenzen leben zu müssen. Als der Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, Marcel Fratzscher, uns noch erklärte, die Inflation sei kein Problem, kam es an der Supermarktkasse bereits zu unschönen Szenen, weil sich etliche Lebensmittelpreise verdoppelt und verdreifacht hatten. Diese Personen bestreiten ihr Einkommen vor allem damit zwei Dinge zu tun: erstens der Politik die „wissenschaftliche“ Rechtfertigung für immer höhere Steuern, immer höhere Schulden, immer mehr Verschwendung und damit eine immer mehr mit der Logik und der Realität in Konflikt stehende Politik zu liefern und zweitens Ihnen und mir zu sagen: „Wir haben alles im Griff, gehen Sie weiter, hier gibt es nichts zu sehen!“

Doch ein Blick zurück zeigt: diese Leute haben gar nichts im Griff. Seit 20 Jahren schleppen wir uns von Krise zu Krise, weil unser Geldsystem eine Fehlkonstruktion ist, mit dem Ziel und Zweck, Wahlgeschenke zu finanzieren, Staatsfinanzierung zu betreiben und eine Politik der Verantwortungslosigkeit zu alimentieren. 

Mit dem gleichen Rezept wurden Krisen nicht gelöst, sondern vielmehr verschleppt und vergrößert: Geld drucken, Zinsen senken, Märkte mit Liquidität fluten, spekulierende Banken retten, den Champagner kaltstellen und sich feiern lassen für den gelungenen Umstieg in das nächste Rettungsboot auf dem weiten großen Ozean. Land in Sicht? Fehlanzeige! Geld aus dem Nichts zu schaffen, um Probleme zu lösen, das klingt wie ein Kapitel aus dem Zauberbuch. Und genau das ist es auch. Aber in der realen Welt, abseits von Hogwarts und dem Zaubereiministerium, existiert so etwas wie Magie nicht. Die Zauberlehrlinge haben ein Problem: Geld zu drucken ist das einzige, was sie können, denn sie haben 20 Jahre lang nichts anderes getan. Wenn einer einen Hammer hat, sieht halt alles aus wie ein Nagel.

Doch dann kam die Inflation, oder genauer gesagt, die Stagflation, die Erhöhung der Preise auf breiter Front bei gleichzeitiger Schrumpfung der Produktion. Man hat dafür allerlei Sündenböcke präsentiert. Wahlweise durften wir unsere Wut über die Inflation auf Herrn Putin oder den Klimawandel richten. Die profane Wahrheit ist aber: Inflation ist ein monetäres Phänomen. 

Geld aus dem Nichts zu schaffen bedeutet, daß mehr Geld hinter der gleichen Menge Gütern herrennt. Jeder, der sich nicht morgens zwei Impfungen reinpfeift, weiß schon intuitiv, daß Preissteigerungen die Folge sein müssen. Das war auch schon die vergangenen 20 Jahre so, aber wir haben sie statistisch versteckt durch die Umschichtung des Warenkorbs. Altersvorsorge, Immobilienerwerb und dergleichen hat man einfach rausgekegelt, und voilà: Die Inflation konnte sich bei Immobilien, Aktien und Gold austoben. Daß sich 90 Prozent der Menschen aus ihrer geregelten Erwerbstätigkeit heute keine Immobilie mehr leisten können und so von den Kapriolen eines durch Zuwanderung und Bürokratie verzerrten Mietmarktes abhängig gemacht werden? Egal!

Irgendwann hatte sich die Preiserhöhung, beschleunigt durch die unsinnige Corona-Politik, aber bis zum letzten Salatkopf im Warenkorb vorgefressen, war auch durch noch so viel statistische Manipulation nicht mehr zu verbergen. Also hat man mit schmerzverzerrtem Gesicht die Zinsen widerwillig erhöht. Das Geheule und der hinhaltende Widerstand der Tauben im Zentralbankrat waren unüberhörbar. Denn eine Sache ist ihnen klar: 20 Jahre marktwidrig niedrige Zinsen haben gewaltige Ungleichgewichte aufgetürmt. Zombieunternehmen, Zombiebanken, Zombiestaaten. Allein der Kollaps der Kurse für langlaufende Anleihen hat bereits etwa 1.000 Milliarden Euro im EU-Raum an „Wert“ vernichtet, im Dollarraum das gleiche nochmal. 

Diese Verluste müssen in irgendeiner Bilanz auftauchen, sie verschwinden nicht im Nirwana von Frau Lagardes schiefem Turm von Frankfurt. Bisher haben Silicon Valley Bank, Credit Suisse und jetzt First Republic nur Bruchteile dieser Verluste ans Licht gebracht. Der Rest ist noch vergraben, und die Marktteilnehmer bewegen sich darüber wie über ein Minenfeld. 

Was also wird passieren? Nach der vorläufig letzten Zinserhöhung durch die EZB vergangene Woche (wir dürfen schließlich nicht das Gesicht verlieren!) ist Schluß. Die Zentralbanken werden vor der Inflation kapitulieren, weil sie die Wahl haben zwischen Inflationsbekämpfung und Bankenrettung, Staatenrettung und Selbst-rettung. Die Bank von England hat es schon vor einigen Monaten vorgemacht: Kapitulation, bedingungslose. Wir werden weiter retten, und die Inflation bekommt weiter Futter in Form von Zauberzetteln aus dem Hause Fiat-Geld.  Also gebe ich hiermit Entwarnung: Ihr Geld auf der Bank ist sicher, aber leider demnächst nicht mehr so viel wert. Und jetzt gehen Sie bitte weiter, hier gibt es nichts zu sehen!






Dr. Markus Krall ist Ökonom und Unternehmensberater.