Ob im Baltikum oder auf dem Balkan, an vielen Orten in Mittel- und Osteuropa sind im vergangenen Jahr wegen des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine zahlreiche Siegesdenkmäler aus Sowjetzeiten gesprengt, demontiert oder zumindest stark verändert worden. In Lettlands Hauptstadt Riga etwa wurde ein riesiger Obelisk mit rotem Stern zu Fall gebracht, weil er – so die offizielle Begründung aus der Präsidialkanzlei – im Widerspruch zu lettischen Werten steht.
Auch in Deutschland gab es vereinzelte Stimmen, die einen ähnlichen Denkmalsturm forderten, doch die Debatte darüber flaute relativ schnell wieder ab. Doch wie viele solcher Monumente und Gedenkstätten gibt es hierzulande eigentlich? Und wären einseitig beschlossene Veränderungen überhaupt möglich? Die AfD-Bundestagsfraktion hat dazu ein Gutachten bei den Wissenschaftlichen Diensten des Parlaments in Auftrag gegeben, das der JUNGEN FREIHEIT vorliegt. Wie es darin unter Berufung auf Angaben des Museums Berlin-Karlshorst – ehemals „Deutsch-Russisches Museum“ – heißt, gibt es in Deutschland insgesamt 4.185 Standorte, an denen „Gräber sowjetischer Kriegsopfer des Zweiten Weltkriegs und ihnen gewidmete Denkmale nachgewiesen werden konnten“. Eine offizielle bundeseinheitliche Registrierung solcher Stätten gibt es nicht, dafür sind die einzelnen Bundesländer zuständig.
Vereinbarungen kurz nach der Wiedervereinigung
Eine Besonderheit der östlichen Siegermacht des Zweiten Weltkriegs war es, an den Gedenkstätten ehemals funktionsfähiges Kriegsgerät aufzustellen. Beliebt vor allem die Kombination aus T34-Panzer und Betonrampe. Unter dem Motto „Dekommunisierung“ wurden vergangenes Jahr im Nachbarland Polen mehr als 20 dieser historischen Kettenfahrzeuge aus dem jeweiligen Stadtbild entfernt.
Bei uns gibt es Friedhöfe mit Panzern in Burg bei Magdeburg sowie in Baruth in der Mark Brandenburg. Am bekanntesten ist das Monument in Berlin-Tiergarten, wo zusätzlich noch zwei Haubitzen stehen. Es ist das einzige Sowjet-Denkmal im Westen, das also nicht auf dem Gebiet der ehemaligen DDR bzw. Ost-Berlins stand. Darüber hinaus befinden sich demnach reine Panzerdenkmale noch in Brandenburg-Görden, Letschin, Beilrode (bei Torgau) und in Berlin-Karlshorst.
Eine Umgestaltung oder gar ein Abbau dieses früheren Kriegsgeräts wäre, selbst wenn es politisch gewünscht würde, den Wissenschaftlichen Diensten zufolge nicht möglich. „Die auf deutschem Boden errichteten Denkmäler, die den sowjetischen Opfern des Krieges und der Gewaltherrschaft gewidmet sind“, stünden unter dem Schutz deutscher Gesetze. Entsprechende Vereinbarungen wurden im Zwei-Plus-Vier-Vertrag von 1990 sowie im kurz nach der Wiedervereinigung geschlossenen Nachbarschaftsabkommen getroffen. Sie dienten dem Zweck, „eine endgültige Regelung für die Gräber der Toten der jeweils anderen Seite aus dem Ersten und Zweiten Weltkrieg zu schaffen sowie die Erhaltung und Pflege dieser Gräber sicherzustellen“. Darin verpflichteten sich beide Vertragsparteien, die Kriegsgräber der jeweils anderen Seite zu schützen und sich zu bemühen, „die Umgebung der Kriegsgräberstätten von allen Anlagen freizuhalten, die mit der Würde dieser Orte nicht vereinbar sind“. Und ausdrücklich stellen die Gutachter des Bundestags fest: „Ein Recht zur Umgestaltung seitens der deutschen Regierung ist dabei nicht vorgesehen.“
Wie stark das Machtgefälle zwischen den beiden damaligen Vertragsparteien ausgeprägt ist, läßt sich auch an folgendem Detail ablesen: So sieht das Abkommen vor, daß die deutsche Seite berechtigt ist, auf eigene Kosten die deutschen Kriegsgräber und Kriegsgräberstätten auf dem Gebiet der Russischen Föderation herzurichten und zu pflegen. Zugleich ist die Bundesrepublik jedoch verpflichtet, ebenfalls auf ihre Kosten die russischen Gräberstätten in Deutschland zu pflegen und zu erhalten.