Ein einsamer Luftsack ist der letzte stumme Zeuge von dem, was hier einmal war: der Hubschrauberlandeplatz am Ende des Kanzlerparks. Die große Rasenfläche ist dort bereits verschwunden, längst haben Bagger riesige Erdhaufen aufgetürmt, es wird gebuddelt, was das Zeug hält. Es ist der Beweis dafür, daß jene Vorbehalte gegen die teure Erweiterung des Kanzleramts, die Finanzminister Christian Lindner (FDP) jüngst medienwirksam äußerte, lediglich Theaterdonner waren.
Würden die Bauarbeiten für das geplante bogenförmige Bürogebäude-Ensemble eingestellt, würde alles nur noch teurer werden. „Ein verlustfreier Projektstopp ist nicht mehr möglich“, verkündete Regierungssprecher Wolfgang Büchner kürzlich. Von einer Steigerung um 40 bis 50 Millionen Euro pro Jahr ist die Rede. Und das, wo sich die Kosten, die man 2016 auf 485 Millionen Euro veranschlagt hatte, ohnehin auf mittlerweile 777 Millionen Euro belaufen sollen. Offiziell begründet wird die notwendige Erweiterung damit, daß künftig wieder alle Mitarbeiter des Kanzleramts unter einem Dach arbeiten sollen, die bisher in verschiedene andere Gebäude ausgelagert wurden. Daß die Zahl der Beschäftigten dort in 20 Jahren von ursprünglich 410 auf derzeit rund 750 gestiegen ist, sei dem „gewachsenen Aufgabenspektrum“ geschuldet. Genauso wird ja auch der Personalaufwuchs in den Ministerien begründet. Wobei das eine in gewisser Hinsicht auch mit dem anderen zusammenhängt.
Der Grund: Im Kanzleramt gibt es mit den „Spiegelreferaten“ eine Art Kabinett im Kleinformat. Jedes Bundesministerium ist dort mit einem oder – bei größeren Ressorts wie etwa Innen, Außen, Verteidigung, Wirtschaft und Finanzen – mehreren Referaten abgebildet, „gespiegelt“. Erfunden hat diese Organisationsstruktur Hans Globke, der legendäre Amtschef des ersten Bundeskanzlers, Konrad Adenauer (CDU), dem damit eine Art „politischer Generalstab“ zur Verfügung stand. Heutzutage spiegeln etwa die Referate 132 bis 134 das Innenministerium, die Referate 211 bis 213 und 221 bis 223 das Auswärtige Amt sowie 231 und 232 das Verteidigungsministerium. Über alles, was in den Fachministerien passiert, was an wichtigen Themen auf der Agenda steht, soll das Kanzleramt so stets auf kurzem Dienstweg informiert sein, koordinieren – und zur Not auch von oben durchregieren können. Wächst in den Ministerien die Zahl der Zuständigkeiten, müssen sich diese auch im Kanzleramt spiegeln – weiteres Personal inbegriffen.
Für den einsamen Luftsack könnte es unterdessen eine Weiterverwendung geben, nur an anderer Stelle. Denn aus Platzgründen muß der Hubschrauberlandeplatz künftig auf eine eigens dafür zu errichtende Plattform oberhalb des Neubaus ausweichen. Wenn Kanzler Olaf Scholz derzeit aus Termingründen auf einen Drehflügler von Bundespolizei oder Luftwaffe zurückgreifen muß, kann dieser nur eine provisorische Landefläche nutzen. Aus Sicherheitsgründen müssen dann zwei Boote der Wasserschutzpolizei den Schiffsverkehr auf der angrenzenden Spree sperren.