© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 20/23 / 12. Mai 2023

GegenAufklärung
Kolumne
Karlheinz Weißmann

Nota bene: „Denn auch Auskünfte des Verfassungsschutzes muß man werten. Der Dienst, der Informationen liefern soll, ist ja kein unabhängiges Gericht, auch wenn das bisweilen suggeriert wird.“ (Reinhard Müller, Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 27. April 2023)

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Für Ockhams Rasiermesser sollte man stets einen Wetzstein parat halten.

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In der Ausgabe der „Heute“-Sendung des ZDF vom 25. April wurden knapp drei Minuten der Vorstellung einer neuen Studie zur Diskriminierung von Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland gewidmet, 29 Sekunden der Information darüber, daß der von einem Syrer in Duisburg verübte Messerangriff, bei dem vier Menschen verletzt wurden, von den Ermittlungsbehörden als islamistischer Terrorakt gewertet wird, 22 Sekunden der Nachricht, daß man zwei syrische Brüder, aus Hamburg beziehungsweise Kempten stammend, festgenommen hat, weil sie einen – offenbar auch islamistisch motivierten – Bombenanschlag vorbereitet haben.

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Von den beiden letzten deutschen Kaisern – Franz Joseph I. und Wilhelm II. – hieß es, daß bei ihren öffentlichen Auftritten regelmäßig „Kaiserwetter“ herrschte. Daß das eine mit dem anderen verknüpft wurde, muß man wohl auf die uralte Vorstellung vom Zusammenhang zwischen Königsheil und Volkheil und Landesheil zurückführen; das eine verbürgte das andere. Den Regenguß während der Krönungsfeierlichkeiten in London am vergangenen Wochenende wollen wir trotzdem nicht als Omen für die Regentschaft Charles III. werten, nur als typischen Fall von „british weather“.

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Differenzierung I: Auf Weisung der spanischen Regierung sind die sterblichen Überreste José Antonio Primo de Riveras aus seinem Ehrengrab in der Kirche des Valle de los Caidos entfernt und auf einen Friedhof nahe Madrid umgebettet worden. Ein Vorgang, der allgemein mit jener Genugtuung quittiert wurde, die üblich ist bei linker Bilderstürmerei. Deshalb sei auf folgende, weniger bekannte Aspekte der Biographie Primo de Riveras hingewiesen. Zu betonen ist, daß er die von ihm geführte Falange nicht als faschistische Partei betrachtet und lange gezögert hat, Francos Militärputsch zu unterstützen, der die Eskalation des Spanischen Bürgerkriegs auslöste. Primo de Riveras persönliche Integrität nötigte auch Gegnern Respekt ab. Als seine Verhaftung bevorstand, warnte ihn Manuel Azaña, der Präsident der Republik, und forderte ihn auf, Spanien zu verlassen. Primo de Rivera lehnte ab, mit der Begründung, daß seine Mutter leide. Als Azaña entgegnete, daß Primo de Riveras Mutter vor Jahren gestorben sei, hat der erwidert, daß Spanien seine Mutter sei, die er nicht verlassen könne. Festgenommen und vor ein „Volksgericht“ gestellt, wurde Primo de Rivera nach einem Schauprozeß zum Tode verurteilt und am 20. November 1936 im Gefängnis von Alicante erschossen. Francisco Largo Caballero, führender Sozialist und Kriegsminister der Republik, soll geäußert haben, die Liquidierung Primo de Riveras sei für ihn „ein Grund tiefen Ekels gewesen“.

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Der Mensch irrt nie allein. Jeder, der irrt, überträgt seinen Irrtum auf seine Umgebung.“ (Seneca)

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Differenzierung II: Am 25. April verstarb der Sänger, Schauspieler und Entertainer Harry Belafonte. Seine Karriere in der Unterhaltungsbranche wurde in den Nachrufen ebenso gewürdigt wie sein Einsatz für Bürger- und Menschenrechte, sein Kampf gegen Rassismus und seine tadellose demokratische Gesinnung. Dröhnendes Schweigen herrschte im Hinblick auf Belafontes Ausfälle gegen Weiße im allgemeinen und das politische System der USA und dessen Politiker im besonderen. Man hörte auch nichts von seiner Sympathie für linke Diktaturen, die all jene Prinzipien mit Füßen traten, die der „Aktivist“ im Westen so entschieden einforderte. Jedenfalls hat sich Belafonte immer wieder zum Sprachrohr sowjetischer Propaganda und der Staaten des Ostblocks – nicht zuletzt der DDR – gemacht und ein groteskes Wohlwollen gegenüber Despoten der Dritten Welt gepflegt. Bekannt wurde sein wiederholtes Eintreten für Castro, weniger bekannt ist ein Gespräch, das er 1985 mit Mengistu Haile Mariam geführt hat. Der amerikanische Star und der Schlächter des äthiopischen Volkes – unter Mengistu Mariam wurden etwa 1,5 Millionen Menschen ermordet –, parlierten angeregt über das Elend des Schwarzen Kontinents und das Apartheidregime in Südafrika, es fiel aber kein kritisches Wort über die Lage Äthiopiens. In konservativen Kreisen wurde immer wieder gemutmaßt, daß Belafonte Mitglied der Kommunistischen Partei der USA sei. Er selbst hat das bestritten. Was für sich genommen wenig bedeuten muß. Denn die CPUSA hatte bereits unmittelbar nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges wegen anhaltender Erfolglosigkeit einen Strategiewechsel vollzogen. Sympathisanten, von denen man glaubte, daß sie als verdeckte Akteure nützlicher wären, hielt man vom Eintritt ab und übertrug ihnen die Aufgabe der Infiltration. Kaum ein Bereich war dafür so geeignet wie das amerikanische Show Business.

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„Wahrhaftige Worte sind nicht angenehm. Angenehme Worte nicht wahrhaftig.“ (Lao-Tse)


Die nächste „Gegenaufklärung“ des Historikers Karlheinz Weißmann erscheint am 26. Mai in der JF-Ausgabe 22/23.