Am 10. Mai war es wieder soweit: Die Abendsonne schien, doch die installierten 58.000 Megawatt (MW) Windkraft lieferten kaum etwas: Zwischen 18.00 und 18.15 Uhr lag die „erneuerbare“ Stromerzeugung in Deutschland nur bei 4.712 Megawattstunden (MWh). Die abgeschalteten AKW und Steinkohlekraftwerke konnten nicht einspringen, die „fossile“ Erzeugung konnte nur 6.237 MWh leisten: Für 26,6 Prozent des deutschen Strombedarfs (insgesamt 14.917 MWh) mußte das Ausland einspringen – ansonsten hätten gezielte Stromabschaltungen (Brownout) oder sogar der Blackout gedroht.
Die Bundesnetzagentur läßt eine potentielle Versorgungslücke von über 4.600 MW Erzeugungskapazität für den Winter 2023/24 erkennen. Diese besteht im wesentlichen in den Reservekapazitäten, die notwendig sind, die erhöhten Bedarfe an Energie zu bestimmten Tageszeiten im Winter zu decken. Diese Deckung wird besonders schwierig, wenn in einer Dunkelflaute weder Solar- noch Windkraft genug Energie produzieren. Bislang konnten Kern-, Kohle- und Gaskraftwerke einspringen. Diese Absicherung der Netzstabilität wird zunehmend nicht mehr möglich sein. Und im Winter brauchen unsere Nachbarn ihren Strom meistens selbst.
Die „Wärmewende“ und die „Verkehrswende“ wird die Stromlücke weiter erhöhen: Zum einen sind Wärmepumpen Großverbraucher in Privathaushalten. Wird das verschärfte Gebäudeenergiegesetz (GEG) beschlossen, wird die bereits in der zweiten Jahreshälfte rasant steigende Zahl an Wärmepumpen einen in den bisherigen Kalkulationen der Bundesnetzagentur so nicht berücksichtigten Anstieg des Stromverbrauchs zur Folge haben. Und der fällt in die Heizperiode und jene Jahreszeit, in der Deutschland keine ausreichenden Kraftwerksreserven mehr besitzt. Die ursprünglichen Planungen der Energiewende sahen neu zu bauende Gaskraftwerke vor, was als Versorgungsplanung inzwischen verworfen worden ist.
Radikale Eingriffe in den privaten Verbrauch sind ab 2024 möglich
Die E-Autos, 2030 sollen es 15 Millionen sein, brauchen nicht nur im Winter Strom. Hinzu kommen Probleme mit der Stromverteilung. Die regionalen Netzbetreiber, die die Haushalte beliefern, sind auf einen flächendeckenden starken Anstieg der Stromverbräuche nicht eingestellt. Bereits jetzt kann der Wohnungskonzern Vonovia installierte Wärmepumpen im Berliner Stadtnetz nicht in Betrieb nehmen, da dies zu lokalen Überlastungen führen könnte. Noch kritischer ist die Lage auf dem Land. Sowohl die Stromnetze als auch deren Steuerung sind oft renovierungsbedürftig und veraltet. Allerdings haben die lokalen Netzbetreiber selten kostendeckende Strukturen. Die Kommunen, zu denen sie gehören, können wegen der Kosten der Masseneinwanderung kaum investieren.
Schwankende Produktionskapazitäten und zugleich steigende Verbräuche durch Wärmepumpen in nicht dafür ausgelegten kommunalen Netzen führen zu flächendeckenden Netzstörungen. Da sich kritische Spannungssituationen und Ungleichgewichte in Stromnetzen nicht plötzlich aufbauen, haben die Netzbetreiber die Chance, den Zusammenbruch überregionaler Mittel- und Hochspannungsnetze zu verhindern. In der Vergangenheit wurden hierfür abschaltbare Lasten industrieller Großverbraucher genutzt. Mit der deutlich gestiegenen Wahrscheinlichkeit, daß eine solche Maßnahme erforderlich wird, ist die Zahl der Fabriken in den potentiellen Abschaltlisten deutlich gesunken. Die Alternative zur Abschaltung industrieller Großverbraucher ist auf den unteren Spannungsebenen die Abschaltung regionaler Teilnetze, also einzelner Stadtteile oder kleinerer Städte und Dörfer.
Eine solche Maßnahme will jede Regierung verhindern. Öffentlich weitgehend unbemerkt hat der Bundestag ein Gesetz verabschiedet, welches das Strommarktdesign reformiert und gleichzeitig neue Möglichkeiten der Netzsteuerung ermöglicht. Das Gesetz verpflichtet Stadtwerke, zukünftig fernauslesbare, genaue elektronische Stromzähler, sogenannte Smartmeter anstatt der üblichen mechanischen Zähler zu verbauen. Zugleich werden die Kosten für den Einbau und den Betrieb der neuen Smartmeter nicht vollständig auf die Stromkunden umgelegt, sondern auf 20 Euro pro Jahr gedeckelt.
Die regionalen Netzbetreiber werden also gezwungen, in die Zählerstruktur zu investieren, was die Möglichkeiten zu anderen Modernisierungsmaßnahmen weiter einschränkt. Mit dem neuen Gesetz werden zudem die Stromversorger verpflichtet, Haushalten mit Smartmetern zeitflexible Stromtarife anzubieten, also Strompreise, die sich nach der Uhrzeit bzw. der verfügbaren Strommenge richten. Haushalte sollen durch diese Tarife animiert werden, beispielsweise dann Wäsche zu waschen, wenn die Wetterlage für ein Überangebot an Ökostrom sorgt. Die meisten verbrauchsintensiven Geräte in einem Haushalt, wie der Kühlschrank, sind durchgängig in Betrieb, Fachleute haben eine geringe Erwartung bezüglich der Steuerungswirkung der Tarife. Allerdings ändern die Maßnahmen die Rahmenbedingungen am Strommarkt und ermöglichen es den Netzbetreibern, ohne Abwürfe der Industrie oder ganzer Netze bei Strommangel den Gesamtverbrauch zu senken.
Die Smartmeter-Pflicht erlaubt „bedarfsgerechte“ Stromzuteilungen
Zwangsweise eingebaute Smartmeter ermöglichen nicht nur genaue Abrechnungen und zeitgenaue Tarife, sondern auch die Drosselung der Versorgung oder das Abschalten einzelner Netzpunkte. Das Ergebnis ist ein Horrorszenario: Regionale Netzbetreiber müssen den Strom in Dunkelflauten rationieren. Bei fehlenden Möglichkeiten, Strom aus ausländischen Kraftwerken zu kaufen, besteht keine Alternative zur Senkung der Verbräuche im Netz, zukünftig über Zuteilungen. Eine moderne Netzsteuerung kann zwar nicht auf die Geräte in einem Haushalt zugreifen, sofern diese nicht über das Internet mit dem Smartmeter verbunden sind, aber sie kann die Strommengen für einzelne Netzpunkte reduzieren oder diese vorübergehend abschalten. Solche Netzpunkte sind alle Anschlüsse, die nicht über das Haus, sondern direkt mit dem Netz verbunden sind, beispielsweise die meisten Ladepunkte für Elektroautos oder in Zukunft auch von außen steuerbare Wärmepumpen.
Bereits 2020 haben Kritiker negative Wechselwirkungen von Ausbau erneuerbarer Energien, Kraftwerksabschaltungen und steigenden Verbräuchen im Gebäudebereich durch Dekarbonisierung prognostiziert. Es bleibt zu hoffen, daß die mit dem Eintreten der Szenarien verbundenen, vorhergesagten Stromrationierungen vermieden werden können. Die technischen Vorbereitungen für das Vorgehen werden allerdings bereits getroffen, die Bedarfslage ist geschaffen.
Strommarktdaten der Bundesnetzagentur: www.smard.de
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