Die Linke will eine Zukunft ohne Sahra Wagenknecht. Ob es aber überhaupt eine gute Zukunft für die Linke gibt? Die Rolle der ostdeutschen Protestpartei gegen bundesdeutsche Politik hat die AfD von der PDS übernommen. Und im Westen ist so viel an funktionierender Sozialstaatlichkeit realisiert, daß es die Linke dort um der „kleinen Leute“ willen nicht wirklich braucht. Also geht der Streit zwischen Wagenknecht und ihrer Partei genau darum, was eine zugleich linke und wählerattraktive Politik wäre. „Woke“ Linke und „Lifestyle-Linke“ gibt es genug, auch bei den Grünen und der SPD. Soziale und wirtschaftliche Ungerechtigkeit als Ärgernis verbindet zwar weiterhin alle Linken.
Doch vielerlei Protest gegen die lebensweltliche Marginalisierung einfacher Leute wurde inzwischen als rechtspopulistisch ausgeflaggt. Das ist etwa die Abwehr gegen Deutschlands hippie-artig ungesteuerte Migrationspolitik, die bezahlbaren Wohnraum verknappte und eine neue Unterschicht schuf, die mit der alten um Sozialräume und Sozialleistungen rivalisiert. Oder jener Protest gegen eine Energiepolitik, zu deren Folgen stark steigende Lebenshaltungskosten und Arbeitsplatzverluste durch Deindustrialisierung gehören. Wir haben also links verursachte Probleme, deren Lösungsmöglichkeiten man als rechtsradikal verpönt. In diesem Dilemma steckt die Linke. Und erst recht ohne Wagenknecht.
Prof. Dr. Werner J. Patzelt ist emeritierter Ordinarius für Politikwissenschaft an der TU Dresden.