Niger war die letzte Demokratie mit einem gewählten Präsidenten in der Sahelzone und wurde deshalb mit Millionen an Budgethilfen aus EU-und französischen Steuergeldern vollgestopft. Nun kam, was kommen mußte, wenn das Militär in Afrika nicht aus Phantomsoldaten, besteht, sondern halbwegs vernünftig ausgebildet wird: Es putscht, weil es selbst an die Futtertröge will. Von 214 Putschversuchen seit den Unabhängigkeiten der 1960er Jahren gelang in Afrika genau die Hälfte. So übernahm in Niger nun General Omar Tchiani, passenderweise Chef der Präsidentengarde, die Macht und stellte Präsident Mohamed Bazoum in seinem Palast unter Hausarrest.
Mit einem landesweiten Flugverbot sitzen jetzt hundert Mann der Bundeswehr in Niger und tausend Mann im benachbarten Mali, wo im Vorjahr geputscht wurde, fest. Längst waren die dortige Uno-Militärmission Minusma und die französische Operation Barkhane von den ach so dankbaren Maliern zugunsten russischer Wagner-Söldner ausgeladen worden, die statt Menschenrechtslektionen wie sie die Europäer zu erteilen pflegen, genauso wie die Einheimischen zuschlagen, foltern und plündern.
Die Regierung in Berlin wollte die Realitäten vor Ort nicht wahrhaben und glaubt sie nun wie Brüssel mit mißbilligenden Resolutionen beschwören zu können. Die Bundeswehr investierte in Niger 50 Millionen Euro in ein Feldlazarett, neue Start- und Landebahnen, Waffen, Munition und Fahrzeuge und selbst in die Ausbildung von Elitekämpfern durch deutsche Spezialkräfte.
Tatsächlich gibt es in der gesamten subsaharischen Sahelzone vom Senegal über Mali, Niger, Burkina Faso (ehemals Obervolta), den Norden Nigerias und Benins (vormals Dahomey), über Zentralafrika, den Tschad bis in den Südsudan Dauerkriege. Es kämpfen vielerorts islamische Nomaden, hellhäutige Berber und Tuareg mit christlich-animistischen Ackerbauern. Das Geschäftsmodell jener mit Kalaschnikows chinesischer Bauart gut bewaffneten separatistischen Räuberbanden des Nordens mit ihren Toyota-Pick-ups und Motorrädern ist recht einfach und hat sich seit der Kolonialzeit als damalige Sklavenjäger kaum verändert.
Sie finanzieren sich mit Lösegeldzahlungen wie die Islamisten von Boko Haram in Nordnigeria. Weiße Entwicklungshelfer aus Deutschland sind dabei besonders lukrativ. Wichtiger noch ist der Drogentransit aus Lateinamerika in Westafrika und aus Afghanistan in Ostafrika, sowie natürlich der von den offenen EU-Grenzen beförderte Menschenhandel durch die große Wüste, die Sahara.
Dazu kommen Schutzgelderpressungen bei den Bergwerken für Uran (Niger), Gold (Burkina Faso) und Diamanten (Zentralafrika). Autobomben, Enthauptungen, Massaker in Schulen, Kirchen, Hotels und von Hochzeitsgesellschaften geben den Forderungen Nachdruck. Je nach Gusto verbünden sich jene Banden und Klans sowie ehemalige Söldner des vom Westen gestürzten libyschen Präsidenten Muammar al-Gaddafi mit al-Qaida, wie die somalische al-Shabaab, oder überregional mit dem Islamischen Staat, auch um Geld und Waffen aus dem Nahen Osten zu gewinnen. Jene Terrornetzwerke reichen bis in den Kongo und über Uganda und Kenia bis in die Erdgasregion Cabo Delgado in Mosambik.
Ursächlich für den überregionalen Gewaltausbruch sind die aberwitzigen Geburtenraten Schwarzafrikas, einer explodierenden Zeitbombe. In Niger, einem Steppenland, das seine 25 Millionen Einwohner nicht mehr ernähren kann, gebärt jede Frau im Schnitt über sieben Kinder. Die Einwohnerzahl des südlichen Nachbarlandes Nigeria hat sich seit der Unabhängigkeit im Jahr 1960 trotz des Bürgerkriegs um Biafra auf 200 Millionen vervierfacht. Im Jahr 2100 wird es nach UN-Schätzungen mit 640 Millionen Einwohnern der drittbevölkerungsreichste Staat der Welt sein. Die einstige Hauptstadt Lagos, wahrscheinlich heute schon der furchtbarste Ort der Welt, soll bis 2050 statt heute 20 Millionen über 90 Millionen Einwohner zählen.
So tönte die Bundesregierung, Deutschlands Freiheit müsse auch in Mali und Niger verteidigt werden. Die Freiheit vor übermäßiger Einwanderung war damit schon beim Hindukusch nicht gemeint. Über 836.000 Migranten waren 2021 allein im Niger unterwegs. Durch das Land führt eine der am meisten genutzten Routen nach Europa. Die Amerikaner haben sich seit Donald Trump, der sie unübersetzbar „shithole countries“ nannte, aus Afrika – aber nicht aus Niger, von wo ihre Drohnen zur Terrorbekämpfung starten – zurückgezogen. Frankreich irrt unter Präsident Emmanuel Macron in seinem einstigen Kolonialreich zwischen Sühnebekenntnissen und humanitären Interventionen irrlichternd umher.
Rußland suchte bei seinem jüngsten Afrika-Gipfel in St. Petersburg, an dem 49 afrikanische Länder teilnahmen und neben Putin 17 Regierungschefs erschienen, ebenfalls Einfluß und erzielt mit seinen robusten Söldner-Scharen und sozialem Konservatismus im Gegensatz zur Berliner und Brüsseler Regenbogenagitation Pluspunkte, hat jedoch wirtschaftlich nichts zu bieten. China liefert ohne politisch-moralische Auflagen gegen knallhart besicherte teure Kredite genau das, was den örtlichen Autokraten gefällt: Paläste, Flughäfen, Prunkstadien, Autopisten, eine verläßliche Geheimpolizei und eine schmucke Palastwache. Dafür erhält es Flottenstützpunkte von Dschibuti bis Äquatorialguinea und allenthalben koloniale Rohstoffkonzessionen vom Kupfer in Sambia bis zum Kobalt im Kongo.
Da Schuldenerlaß nach westlichem Muster, der neuen Mißbrauch einlädt, nicht zum chinesischen Repertoire gehört, verlangt die örtliche Mißwirtschaft und Korruption allerdings auch bei den hartgesottenen Chinesen ihren Tribut. Trotz aller Besicherungen dürften sie ihre Kredite für Gabun, Benin, Ghana, Tansania und Sambia wohl abschreiben müssen. Wie in vielen Seidenstraßen-Projekten hat die kommunistische Führung in Peking in ihrem Größenwahn wohl die Risiken unterschätzt und darf wie das naive Berlin nun die Kosten tragen.