© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 33/23 / 11. August 2023

Auf die härtere Tour
Maßnahmen gegen Klimakleber: Einige Städte versuchen, mit sogenannten Allgemeinverfügungen die Proteste im Vorfeld zu verhindern
Christian Vollradt

Die Rivalität zwischen Hannover und Braunschweig findet nicht nur in den Geschichtsbüchern oder auf dem Fußballrasen statt. Die beiden größten Städte Niedersachsens konkurrieren mittlerweile auch in der Frage, welche von beiden das effektivere Konzept gegen die Straßenblockaden radikaler Klimakleber hat. Der Oberbürgermeister der Landeshauptstadt, Belit Onay (Grüne), wählte die Methode Umarmung, seine Kritiker im Stadtrat sprechen hingegen von Kapitulation. Bereits im Februar hatte er den Mitgliedern der „Letzten Generation“ zugesagt, ihre Ziele und die Forderung nach einem Klima-Gesellschaftsrat mit weitreichenden Befugnissen auf Bundesebene zu unterstützen. Onay schrieb das dann in einem Brief, den er an die Vorsitzenden der Fraktionen im Bundestag schickte. 

In Braunschweig lehnte Oberbürgermeister Thorsten Kornblum (SPD) so etwas ab und verwies auf die in der Verfassung festgelegte Form der repräsentativen Demokratie, der ein Gesellschaftsrat widerspräche. So wählte man einen anderen, repressiveren Weg. Mit einer sogenannten Allgemeinverfügung wurden Versammlungen zum Klimaprotest unter freiem Himmel beschränkt. Generell untersagt sind Umzüge und Märsche auf den Fahrbahnen, außerdem darf man sich dort nicht ankleben, festketten oder auch nur niederlassen. Bei Verstößen gegen diese Verfügung drohen Ordnungswidrigkeitsverfahren und saftige Bußgelder von bis zu 3.000 Euro.

Zulässig sind solche Einschränkungen der Versammlungsfreiheit, „um eine unmittelbare Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung abzuwehren“. Genau darauf beruft sich die Stadt. Denn durch die nicht angemeldeten Versammlungen samt Blockaden könnten Feuerwehr und Rettungsdienste im Vorfeld keine Alternativrouten planen.  

Ein weiterer Vorteil ergibt sich für die Polizei. Die muß vor Ort nicht erst mündlich Beschränkungen gegen einzelne Personen verfügen, sondern nur noch die Personalien der Regelbrecher feststellen und wegen Ordnungswidrigkeiten Anzeige erstatten. Etwa zwanzig Aktionen der selbsternannten Klimaaktivisten hatten in den vergangenen Monaten in Braunschweig stattgefunden.

Während Hannovers Vorgehen bisher keine bekannteren Nachahmer fand, steht der Rivale an der Oker mit seinem Kurs nicht allein da. Auch in Stuttgart haben die politisch Verantwortlichen mittels Allgemeinverfügung Straßenblockaden samt Klebeaktionen auf den wichtigsten Straßen der Landeshauptstadt verboten. Diese Regelung gilt noch bis Jahresende.

„Letzte Generation“ offenbar unbeeindruckt

Ende Juli bereits ausgelaufen ist dagegen eine entsprechende Allgemeinverfügung in Nürnberg. Auch dort hatte die Stadtverwaltung zunächst mitgeteilt, daß die vorsätzliche Nichtanzeige von Versammlungen „nicht nur einen vorsätzlichen Verstoß gegen gesetzliche Vorschriften“ darstelle, sondern auch „eine erhebliche Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung“. In Abstimmung mit der Polizei ordnete die fränkische Metropole an, daß bei Protesten der „Letzten Generation“ oder ähnlichen Gruppierungen keine Fahrbahnen mehr benutzt werden dürfen. Vorreiter bei einer solchen Allgemeinverfügung war im vergangenen Dezember die Hauptstadt des Freistaats, München. 

In Braunschweig soll die Allgemeinverfügung zunächst noch bis Ende dieses Monats gelten. Beeindruckt hat sie die Klimaprotestler eher mäßig. Mitte vergangener Woche behinderten sie erneut den Verkehr in der Stadt mit einer unangemeldeten Kundgebung in Form eines sogenannten „Slow Walk“, bei dem sie bewußt langsam auf der Fahrbahn einer der Hauptverkehrsstraßen gingen. Selbst die angedrohten Bußgelder scheinen keine abschreckende Wirkung zu entfalten. 

Derweil heißt es aus Hannover, seit dem – bisher politisch völlig folgenlosen – Brief von OB Onay an die Bundestagsfraktionen sei man auf den Straßen der niedersächsichen Landeshauptstadt von Klebe-Blockaden verschont geblieben.