Spätestens seit dem Film „Die fabelhafte Welt der Amélie“ träumen viele Gemüter von einer schnuckeligen Wohnung in Frankreichs Hauptstadt. Auf fabelhafte Weise, dank zahlreicher Klischees, suggeriert er das Bild einer Stadt, in der es sich zwischen Liebe und Charme schön lebt. Dies allerdings ohne die phantastischen Immobilienpreise mit einzubeziehen. Auch die völlig absurden Konditionen der Mietwohnungen sind dabei ausgelassen. Ein Umzug muß gut überlegt sein.
Der Pariser Immobilienmarkt erlebt einen neuen Höhepunkt in der Spannungskurve. Innerhalb eines Jahres sind die Zinssätze für ein Bankdarlehen von 1,05 auf 3,32 Prozent geklettert, so daß der Normalbürger einen Wohnungskauf des ohnehin teuren Pflasters nicht mehr in Betracht ziehen kann. Stattdessen mutiert er zum Langzeitmieter, was sich im schrumpfenden Angebot der Mietwohnungen widerspiegelt.
Wer in Frankreich eine Wohnung mieten möchte, muß etliche Konditionen erfüllen. Zu diesen zählt in erster Linie eine vollendete Probezeit in unbefristeter Stelle. Das Nettogehalt muß mindestens dreimal dem Mietpreis entsprechen, was für den Alleinstehenden kaum realisierbar ist. In der Regel wird ein Bürge erwartet, dazu kommen eine Kaution, der aktuelle Steuerbescheid, die letzten drei Gehaltsabrechnungen, gefolgt vom Arbeitgebernachweis etc. Die Liste für ein vollständiges Dossier ist umfangreich.
Marode Gasleitungen, Schimmel, das Fehlen eines Bads sind nur Details, die den Mietpreis nicht mindern.
Gruppenbesichtigungen oder Korridore, in denen sich die Interessenten die Füße wundstehen, erinnern an Warteschlangen im Vergnügungspark. Die Besichtigung dauert nur wenige Minuten – Überraschungsmomente sind natürlich inbegriffen. Zwischen der vorgestellten und der besichtigten Wohnung liegen dann aber nicht selten Welten.
Marode Gasleitungen, Schimmel in allen Ecken, das Fehlen eines Bads oder Fensters sind nur Details, die den Mietpreis nicht mindern. Unter den Angeboten finden sich Wohnungen, die ausschließlich Studenten zugedacht und auf Kurzzeit ausgelegt sind, denn während der Olympischen sowie Paralympischen Spiele im nächsten Jahr verwandeln sich diese zum rentablen Geschäft: Die heutige Monatsmiete entspricht im genannten Zeitraum dem Mietpreis einer einzelnen Nacht.
Zu reizvolle Angebote sind hingegen zu meiden, verbergen sich dahinter doch oftmals Individuen, die bereits vor Wohnungsbesichtigung persönliche Daten abfragen, um diese anschließend zu verkaufen.
Damit können Identitäten erstellt und Kredite abgeschlossen werden, die zum Verlust der Kreditwürdigkeit des Betroffenen führen. Irgendwo zwischen Traum und Albtraum dürfte sich die Pariser Wohnungssuche ansiedeln.