© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 40/23 / 29. September 2023

Deutsch-russische Wissenschaftsbeziehungen Opfer des Krieges
Eingefroren, ausgesetzt, zerstört
(dg)

Man muß in der Geschichte der internationalen Wissenschaftsbeziehungen schon weit zurückgehen, um den vom Westen beschlossenen Sanktionen gegen die Forschungseinrichtungen Rußlands Analoges zu finden: So verhängten die Siegermächte nach Versailles 1919 einen Boykott gegen die deutsche Wissenschaft. Deutsche Professoren wurden zu internationalen Tagungen nicht mehr eingeladen, Bibliotheken vom Schriftenaustausch ausgeschlossen, der Wissenstransfer zwischen Universitäten unterbunden. Ähnlich hart trifft es heute die deutsche Slawistik. Wissenschaftliche Netzwerke, Forschungskooperationen und Austauschprogramme seien „weitestgehend zerstört“, sagt der Göttinger Slawist Matthias Freise. Der Austausch mit russischen Kollegen sei nahezu völlig zum Erliegen gekommen, Forschungsreisen nach Rußland „nur eingeschränkt oder gar nicht mehr möglich“ (Forschung & Lehre, 9/2023). Anträge auf Rußland-Reisen zwecks Spracherwerb dürfen beim Deutschen Akademischen Austauschdienst nicht mehr gestellt werden, obwohl ein Studium ohne die dort „unbedingt“ zu erwerbenden Sprachfertigkeiten kaum erfolgreich sei. Selbst Bücher aus Rußland seien nicht mehr bestellbar. Bei westlichen Fachorganen herrsche Unsicherheit, welche Aufsätze von russischen Beiträgern akzeptiert werden dürfen. 


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