© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 42/23 / 13. Oktober 2023

Im wohlverdienten Unruhestand
Kleinkunst: Eine Begegnung mit dem nach Ungarn ausgewanderten Kabarettisten Detlev Schönauer / In der kommenden Woche kann er seinen siebzigsten Geburtstag feiern
Kerstin Rech

Detlev Schönauer ist vor allem durch die Rolle des Wirts Jacques bekannt geworden. Mit französischem Akzent und einer Baskenmütze auf dem Kopf präsentiert er viele Jahre auf verschiedenen Bühnen, in „Jacques Bistro“ (produziert vom SR) oder bei „Spaß aus Mainz“ (SWR) seine gesellschaftskritischen Beiträge. Heute lebt der Kabarettist, der am 16. Oktober seinen siebzigsten Geburtstag feiert, mit seiner zweiten Frau in Ungarn.

Zu unserem Gespräch treffen wir uns auf dem Marktplatz im Saarbrücker Stadtteil Malstatt. In diesem Teil der saarländischen Landeshauptstadt sind mehr arabische als deutsche Schriftzeichen über den Geschäften zu sehen. Als unverschleierte Frau bin ich eine Ausnahme im hiesigen Straßenbild. Weshalb wir uns ausgerechnet hier treffen, hat einen einfachen, praktischen Grund. Detlev Schönauer ist nur für ein paar Tage im Saarland, er hat einen vollen Terminkalender, und sein letzter Termin vor unserem Treffen war nun mal hier in Malstatt.

Er kritisiert Angela Merkels Phrase in der Migrationspolitik

„Sind Sie Saarländer oder Pfälzer?“, lautet meine erste Frage an ihn, nachdem wir in einer arabischen Bäckerei mit Bestuhlung Platz genommen und zwei Cappuccino geordert haben.

Detlev Schönauer schmunzelt und legt in seiner Antwort gleich eine Eigenart von uns Saarländern offen. „Ich bin Rheinhesse, geboren in Mainz. Mainz ist nicht Pfalz. Die Leute hier sagen immer Pfälzer. Ich weiß nicht, warum das so ist. Für die Saarländer ist sogar die Eifel Pfalz.“

Unser kleines Bundesland am Rande der Republik hat er gleichwohl viele Jahre als seine Heimat angesehen. „Hier habe ich viel länger gelebt als sonstwo. Ich bin mit 22 oder 23 ins Saarland gekommen. Wegen des Studiums und bin hier hängengeblieben“, erinnert sich der studierte Diplom-Physiker. „Es hat mir im Saarland immer unglaublich gut gefallen und das ist auch etwas, wovon ich sage, es ist schade, daß ich es verlassen habe … verlassen mußte. Leider hat sich hier auch sehr viel ins Negative verändert.“

Wie entstand die Kunstfigur Jacques? „Das ist eine lustige Geschichte. Ursprünglich habe ich Kabarett auf hochdeutsch gemacht, mich damit aber nie wohlgefühlt. Ich muß immer Rollen spielen, da kann ich mich dann hineinversetzen. Im April 1986 passierte das Unglück in Tschernobyl, und im Herbst desselben Jahres wurde das große Kernkraftwerk im lothringischen Cattenom eröffnet. Die Franzosen haben das sehr locker genommen. Ich habe dann einen mit französischem Akzent sprechenden, ‘radioaktiven’ Animateur des Ferienclubs ‘Saint Becquerel’ in Cattenom gespielt. Das war eine ziemlich böse Nummer, aber es kam gut an.“

Kurz danach bittet ihn der Saarländische Rundfunk eine Figur für eine Glosse zu entwickeln, und Schönauer greift auf seinen bewährten Franzosen zurück. Jacques, der in Saarbrücken ein Bistro führt und quasi von außen auf die Saarländer schaut, ist geboren. Die Rolle hält er viele Jahre bei. 

2010 tritt Schönauer in der Fasenachtssitzung „Mir sin net so“ auf. „Aber“, so erzählt er, „bei diesem Auftritt habe ich in der Rolle des Backes Alfred ziemlich bösartig über den damaligen Ministerpräsidenten Peter Müller hergezogen. Die Leute hatten ihren Spaß. Doch im Jahr darauf wurde ich für die Fasenachtssitzung nicht mehr engagiert, weil sich die saarländische Staatskanzlei beschwert hat.“

Rückblickend läßt sich wohl sagen, es war ein kleiner Vorgeschmack auf das, was in den nächsten Jahren kommen sollte. 

2015, das Jahr, das mittlerweile als Synonym für Politikversagen bei der illegalen Migration gelten kann, ist auch für ihn ein Knackpunkt. Er kritisiert die Politik Angela Merkels und ihrer willigen Vasallen. Ihr apodiktisch ausgesprochenes „Wir schaffen das“ bezeichnet er als hohle Phrase.

„Man hat mir Fremdenfeindlichkeit vorgeworfen“, erinnert sich Schönauer, der in erster Ehe mit einer Französin verheiratet war. „Meine Tochter ist Französin, mein Schwiegersohn ist Chilene. Wir haben Verwandte in Brasilien. Bei mir von Fremdenfeindlichkeit zu reden, ist Unsinn. Aber ich habe schon damals gesagt, man kann nicht einfach die Tür aufmachen und alle reinlassen. Das ist das eine, das andere ist, ich habe ein Problem mit dem Islam. Der ist für mich keine Religion, sondern eine politische Sache.“

Kritisch sieht Detlev Schönauer den sogenannten Geburten-Dschihad. Die überdurchschnittliche Geburtenrate bei Muslimen in der westlichen Welt, speziell in Deutschland, bezeichnet er als Gefahr. „Ich beobachte das und habe es auch schon häufig publiziert. Wenn man heute in Deutschland eine Grundschulklasse anschaut, da sieht man achtzig oder neunzig Prozent Muslime. Und das sind die, die in zehn Jahren wählen. Und wen werden die wählen? Die werden eine muslimische Partei wählen und die werden irgendwann im Bundestag die Mehrheit haben.“ 

Als Kabarettist und Autor hat er diesen Themenkomplex, ebenso wie seine kritische Sicht auf die Klimapolitik, die Identitätspolitik, das Gendern und die überzogenen Maßnahmen während der Corona-Pandemie in sein Programm aufgenommen.

2018 engagiert sich Schönauer für die Bewegung „Aufstehen“ von Sahra Wagenknecht und Oskar Lafontaine. Er ist eines der Gründungsmitglieder und übernimmt den Aufgabenkreis Migration. „Dann wurde diese Bewegung von sehr linken Kräften von innen unterminiert. Und nach einer gewissen Zeit war der Punkt Migration nicht mehr da. Man hat nicht mehr davon gesprochen. Da war für mich die Sache erledigt.“  

Im selben Jahr wird ein eifriger Blogger auf ihn aufmerksam, denunziert und verunglimpft ihn in einem Beitrag, der die Überschrift trug „Rassismus ist kein Kabarett“. Detlev Schönauer klagt auf Unterlassung, da in diesem Beitrag vieles aus dem Zusammenhang gerissen und falsch zitiert wurde. Das zuständige Gericht wertet aber die Meinungsfreiheit des Bloggers höher als die Persönlichkeitsrechte Schönauers. Infolge dieses verzerrten Beitrags wurde zum Boykott gegen ihn aufgerufen und Veranstalter wurden bedrängt, die Engagements mit ihm zu canceln. Eine nicht unerhebliche Zahl beugte sich dem Druck, und so wurde er regelrecht seiner Existenzgrundlage beraubt. Als Konsequenz beendet er Ende März 2021 seine Karriere.

In seiner neuen Heimat verteidigt er die ungarische Familienpolitik

„Ich bin damals so fertiggemacht worden, daß ich sagte, ich höre auf. Ich war zum Glück in einem Alter, in dem ich sagen konnte, okay, ich gehe früher in Rente als ich eigentlich wollte. Aber wäre das zehn Jahre früher passiert, hätte es mir das Genick gebrochen.“

Seine Meinung zu den staatlichen Corona-Maßnahmen katapultiert Schönauer dann erneut unfreiwillig in die bundesdeutschen Mainstream-Medien, die sich in Häme ergehen, denn im November 2021 erkrankt er schwer an Corona. Er muß beatmet werden, wird ins Koma versetzt, und seine Chancen zu überleben sind minimal. Erschwerend kommen drei Lungenentzündungen hinzu. Das Koma erstreckt sich über sieben Wochen. „In der ganzen Zeit hing mein Leben an einem seidenen Faden“, schreibt Schönauer auf seiner Webseite. „Ich habe sehr viele positive Meldungen bekommen, aber auch negative, wie zum Beispiel: Hoffentlich verreckt er.“

Detlev Schönauer beendet nicht nur seine Karriere in Deutschland, er wandert nach Ungarn aus.  „Meine Frau und ich waren uns schon seit langem darüber einig, daß wir unseren Ruhestand in einem anderen Land verbringen. Einem Land, wo die Preise moderater sind, wo das Wetter schöner ist und die Menschen lockerer sind. Wir haben uns auch einige Länder angeschaut. Dann hat meine Frau eine Dokumentation über Ungarn gesehen.“ 

Kurzentschlossen fahren die Schönauers für eine Woche nach Ungarn und sind begeistert. „Wir haben uns gefühlt wie in Deutschland vor fünfzig Jahren. Es herrscht eine Aufwärtsstimmung. Den Leuten geht es zusehends besser. Das war bei uns in den siebziger Jahren bis in die Neunziger so. Das hat uns gut gefallen und wir haben direkt Kontakt zu einem Immobilienmakler aufgenommen.“

Die Kritik an Ungarn kontert er: „In Deutschland sollen die Familienstrukturen zerstört werden. In Ungarn ist das anders. Da gibt es das Gesetz, das man Orbán immer negativ anlastet, indem man behauptet, es wäre homophob. Das ist Quatsch. Man hat verfügt, daß Kinder und Jugendliche unter achtzehn nicht in Schulen mit Themen wie Homosexualität und Geschlechterwechsel in Kontakt kommen sollen. Die sexuelle Aufklärung der Kinder obliegt den Eltern. Es ist Unsinn, daß die Ungarn etwas gegen Homosexuelle haben. Da gibt es genauso gleichgeschlechtliche Partnerschaften wie hier. Es gibt in Budapest eine Parade zum Christopher-Street-Day. Aber man will Ungarn immer schlecht darstellen, weil sich das Land nach wie vor weigert, Migranten aufzunehmen.“

Was ihm auch gefällt, ist die Tatsache, daß junge Leute bei ihrer Familienplanung vom Staat finanziell unterstützt werden. 

Detlev Schönauer fühlt sich in seiner neuen Heimat wohl. Sein Rentnerdasein nimmt er nicht allzu ernst. Er sendet mittlerweile einen Videokanal im Internet, schreibt für die deutschsprachige Budapester Zeitung und absolviert Auftritte in Deutsch.Sein Fernziel ist es in circa zwei Jahren Kabarett auf ungarisch zu machen.