Frau Harder-Kühnel, das Bundesverfassungsgericht hat im Frühjahr der AfD Recht gegeben und die bisherige Finanzierung parteinaher Stiftungen für verfassungswidrig erklärt. Mit dem geplanten Gesetz würde die Desiderius-Erasmus-Stiftung trotzdem leer ausgehen. War das im Rückblick nur ein Pyrrhus-Sieg für Sie?
Harder-Kühnel: Im Gegenteil: Nur aufgrund der Unnachgiebigkeit der AfD müssen die Förderkriterien künftig für alle politischen Stiftungen klar und transparent durch ein Stiftungsfinanzierungsgesetz geregelt werden, womit endlich Rechtssicherheit entsteht. Immerhin wird hierbei jedes Jahr ein hoher dreistelliger Millionenbetrag an die parteinahen Stiftungen ausgeschüttet, der nun begrenzt werden kann. Zudem ist ein Gesetz einer direkten Kontrolle durch das Bundesverfassungsgericht zugänglich, das auf die Einhaltung der grundgesetzlich verankerten Chancengleichheit aller politischen Parteien achten wird. Eine Benachteiligung der AfD wird daher nicht ohne weiteres möglich sein.
Der nun von der Ampel und der Union eingebrachte Entwurf für ein Stiftungsgesetz verstößt in Ihren Augen gegen das Grundgesetz. Warum?
Harder-Kühnel: Laut dem Gesetzentwurf soll zum einen dem Bundesinnenministerium als Teil der Bundesregierung die Entscheidung überlassen werden, welche parteinahen Stiftungen die Förderkriterien erfüllen und damit anspruchsberechtigt sind. Hierbei käme es auch auf die Einschätzungen des Bundesamtes für Verfassungsschutz an. Dadurch würde der Exekutive die Möglichkeit eröffnet, Gesinnungsprüfungen durchzuführen und die politische Konkurrenz nach eigenem Ermessen von der Stiftungsfinanzierung auszuschließen. Die Etablierung eines Instruments zur Schwächung der Opposition könnte in einem freiheitlich-demokratischen Rechtsstaat jedoch zum Problem werden.Zum anderen wird nicht hinreichend begründet, warum zukünftig von der bisherigen jahrelangen Praxis einer Stiftungsfinanzierung bereits nach dem zweiten Parteieinzug in den Deutschen Bundestag abgewichen werden soll. Durch das Erfordernis eines Dritteinzuges wäre es für die etablierten Parteien noch einfacher, ihre Vormachtstellung gegenüber neuen politischen Mitbewerbern abzuschirmen. Eine solche Vorgabe würde nämlich nicht nur die AfD benachteiligen, sondern auch andere erstarkende Kräfte wie zum Beispiel die Freien Wähler.
Aber hat der Gesetzgeber nicht das Recht, als Kriterium einer finanziellen Förderung festzulegen, daß die betreffende Stiftung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung verpflichtet ist?
Harder-Kühnel: Der Gesetzgeber hat nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht, die Finanzierung der parteinahen Stiftungen an den Schutz der freiheitlich-demokratischen Grundordnung zu knüpfen. Die Frage ist nur, auf welche Weise er diese Pflicht kodifiziert. Unproblematisch wäre es, wenn der Gesetzgeber von den parteinahen Stiftungen ein eindeutiges Bekenntnis zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung einfordert und eine Förderung bei einem Mißbrauch der staatlichen Mittel zur aktiven Bekämpfung derselben verweigert. Schwierig wird es aber dann, sobald einer staatlichen Instanz eine Bewertung darüber zugestanden wird, welche politischen Weltanschauungen ein „aktives Eintreten für die freiheitlich-demokratische Grundordnung und die Völkerverständigung“ gewährleisten oder begünstigen. Darüber bestehen bekanntlich unterschiedliche Auffassungen. Eine Demokratie lebt gerade vom offenen Meinungsstreit und von gegenteiligen Ansichten, wie etwa dem Schutz der Grundrechte und der Förderung der internationalen Zusammenarbeit am ehesten entsprochen werden kann. Diese Entscheidung darf der Staat nicht in eigener Sache vorwegnehmen.
Aufgrund der großen Mehrheit von über 600 Mitgliedern dürfte das Gesetz den Bundestag passieren. Was wird die AfD nun tun? Verzichten Sie auf die staatlichen Millionen – oder gehen Sie erneut nach Karlsruhe?
Harder-Kühnel: Zunächst warten wir ab, welche konkreten Regelungen in dem künftigen Stiftungsfinanzierungsgesetz vorgesehen sein werden, und führen diese dann gegebenenfalls einer eingehenden verfassungsrechtlichen Überprüfung zu. Erst danach entscheiden wir, ob wir das Bundesverfassungsgericht erneut anrufen oder nicht.
Mariana Harder-Kühnel, ist Rechtsanwältin und seit 2017 Bundestagsabgeordnete. Als Mitglied des AfD-Bundesvorstands nahm sie an der Verhandlung vor dem Bundesverfassungsgericht teil.