© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 43/23 / 20. Oktober 2023

Der Flaneur
Sprache der Zukunft
René Langner

Gendern bringt es!“ Nein, es handelt sich hierbei nicht um den Slogan einer politisch motivierten Minderheit, sondern um die Hausaufgabe meiner Tochter. Pünktlich zum Abendessen präsentiert sie mir, mit was sich Kinder in der 8. Klasse im Fach Gesellschaftswissenschaften derzeit beschäftigen dürfen.

„Es geht vor allem um die Geschlechtergerechtigkeit“, erzählt sie auf Nachfrage das in der Schule gelernte nach. Geschlechtergerechtigkeit: Auch für mich ist dies durchaus ein wichtiges Thema. Egal, ob es dabei um gleiche Rechte oder einfach nur um Löhne geht, die sich an der Leistung und eben nicht an dem Geschlecht orientieren sollten. 

„Was hältst du davon?“, will ich von ihr wissen. „Die Sprache der Zukunft“, entgegnet sie mit einem breiten Grinsen. Noch bevor ich dazu komme, meinen Unmut zu äußern, ergänzt sie: „Ja, ich weiß. Ein Sternchen kann Diskriminierung und Ausgrenzung natürlich nicht verhindern. Aber es ist nun mal eine Pflichtaufgabe.“

In der nächsten Woche will ich wissen, wie es in der Schule lief: Vier plus, Thema verfehlt.

Ich bin stolz auf sie. Sie ist in der Lage, Dinge auch zu hinterfragen. Und so unterhalten wir uns eine Weile darüber, was Geschlechtergerechtigkeit für uns bedeutet. Welche Rolle die Frauen in anderen Gesellschaften „zu spielen haben“ und welches Leid von einer klassischen Geschlechtertrennung in manch kulturellen und religiösen Kreisen ausgehen kann. Ein Sternchen wird hier nicht helfen.

Als Ergebnis hält meine Tochter fest, daß sie das Gendern als kontraproduktiv empfinde, da es das Thema Geschlecht hervorhebt – wenn nicht sogar überbetont – und dies am Ende zu noch mehr Unterschieden führen kann, die man ja eigentlich minimieren wollte. Ich denke, daß genau das eine wunderbare Grundlage für den gegenseitigen Austausch in der Klasse sein dürfte und freue mich über ihre plötzlich zutage tretende Euphorie für schulische Belange.

„Und, wie war es?“, will ich in der nächsten Woche wissen. „Vier plus. Angeblich Thema verfehlt.“ Das darf doch nicht wahr sein, denke ich mir. Noch bevor ich etwas sagen kann, ergänzt sie: „Zumindest hat es den anderen gut gefallen und wir haben eine Menge diskutieren können.“