Rechte der Natur. Das in Artikel 14 des Grundgesetzes garantierte Eigentumsrecht ist bislang nur Menschen als natürlichen Personen vorbehalten. Wer Sachen wie Wälder und Flüsse zur juristischen Person erklären will, um sie zu Trägern eigener, einklagbarer Rechte mit allen Befugnissen, Pflichten und Verbindlichkeiten zu erklären, fordert daher die juristische Phantasie heraus. Und doch plädiert der an der Universität Oldenburg Praktische Philosophie lehrende Tilo Wesche für ein solches Umdenken im Interesse des Umwelt-, Klima- und Artenschutzes. Tatsächlich haben weltweit schon einige staatliche Gesetzgeber wie etwa in Neuseeland der Natur Rechte verliehen. Diese Vorreiter seien internationale Vorbilder, ihnen sei zu folgen. Denn mit den herkömmlichen Maßnahmen zum Umweltschutz, die nur die „Ergebnis- und Harmlosigkeit aller bisherigen Bemühungen um den Naturschutz“ bewiesen hätten, sei es längst nicht mehr getan. Umweltrechten mangele es gegenüber Eigentumsrechten an Biß, weil zu viele Eigentümer sich auf ihr verbrieftes Recht berufen, das sie vor ökologisch wirklich spürbaren Regulierungen schütze. In zumeist rücksichtslos ausgeübter Verfügungsmacht liege eine der Hauptursachen ökologischer Krisen und Katastrophen, so Wesche. Dieses Einfallstor für die Übernutzung der Natur könnte geschlossen werden, indem man ihr im Sinne ökologischer Nachhaltigkeit ein Grundrecht auf Eigentum verleiht. (wm)
Tilo Wesche: Die Rechte der Natur. Vom nachhaltigen Eigentum, Suhrkamp, Berlin 2023, gebunden, 347 Seiten, 22 Euro
Bilderstürmer. Bücher können therapeutische Wirkung entfalten. Wem beispielsweise die Traditionspflege – oder eben -Nichtpflege – der Bundeswehr Bauchschmerzen oder anderweitiges Unwohlsein bereitet, der sollte ruhig einmal den Sammelband „‘Helden’ der Vergangenheit?“ zur Hand nehmen und in homöopathischen Dosen durchschmökern. Denn Herausgeber Jakob Knab und seine Autoren vertreten mit Verve die Position, beim Team Y seien nicht zu viele, sondern ganz im Gegenteil zu wenige Denkmale gestürmt worden. Und das, obwohl bei den zahlreichen Kasernenumbenennungen die „am Militarismus vergangener Zeiten hängenden Traditionalisten bittere Niederlagen“ erlitten, wie es der unvermeidlich an dem Werk beteiligte Historiker Wolfram Wette, Mitglied der wegen ihrer volkspädagogischen Ausrichtung umstrittenen „roten Zelle“ am Militärgeschichtlichen Forschungsamt in Freiburg, in seinem Vorwort schreibt. An drei Beispielen arbeitet man sich deshalb ab: an den Feldmarschällen Paul von Hindenburg und Erwin Rommel sowie an Konteradmiral Rolf Johannesson. Um die Frage der „Traditionswürdigkeit“ des Seekadetten in der letzten kaiserlichen Crew 1918, der in der späteren Kriegsmarine als Chef einer Zerstörerflottille und ab 1957 Flottenchef der Bundesmarine seinen Dienst versah, wurde jüngst gestritten. Offizieller Stand derzeit: ehrendes, aber nicht unkritisches Andenken. Daran stören sich Knab und Co. Daß der Herausgeber zum Abarbeiten am Mythos des „Wüstenfuchses“ sogar Heinrich Böll für einen Beitrag aus der Gruft holt, unterstreicht die verzweifelte Gefechtslage um die Traditionspflege. Wenn es so schlimm ist, ist es vielleicht gar nicht so schlimm. (vo)
Jakob Knab (Hrsg.): „Helden“ der Vergangenheit?“ Zum Elend der Traditionspflege in der Bundeswehr – Rolf Johannesson – Paul von Hindenburg – Erwin Rommel. Donat Verlag, Bremen 2023, gebunden, 288 Seiten, 19,80 Euro