Die Brüche im deutschen Parteiensystem werden im Bundestag sichtbar. Durch die Gründung des „Bündnisses Sahra Wagenknecht“ (BSW) zerfällt die Linksfraktion, da sie die für eine Fraktionsbildung notwendige Mindestzahl von 37 Mandaten nicht mehr erreichen wird, sobald Wagenknecht und ihre Anhänger die Fraktion verlassen oder ausgeschlossen werden (JF 44/23).
Doch Äußerungen von Noch-Fraktionschef Dietmar Bartsch, wonach über hundert Mitarbeiter ihren Job verlieren würden, wenn die Linke im Bundestag durch die Wagenknecht-Abspaltung ihren Fraktionsstatus verlieren würde, erscheinen übertrieben. Denn die restlichen Linken-Abgeordneten würden als sogenannte Gruppe weitermachen und hätten damit fast so viele Rechte wie eine Fraktion. Auch die Finanzausstattung ist weiterhin gut, so daß bei den Linken keine neue Armut ausbrechen würde.
Abgeordneten-Gruppen, die keine Fraktionsstärke (mindestens fünf Prozent aller Mandate) erreichen, gab es in der unruhigen Frühzeit des Bundestages häufiger. Die erste Gruppe in den fünfziger Jahren bildeten Kommunisten der KPD. Auch die Deutsche Reichspartei, die Wirtschaftliche Aufbauvereinigung und die Deutsche Partei (DP) waren Gruppen. Erst nach der Wiedervereinigung kam es erneut zu Gruppenbildungen. Aufgrund der für Ost- und Westdeutschland getrennt angewendeten Fünfprozentklausel kamen 1990 nur acht Ost-Grüne in den Bundestag und bildeten eine Gruppe. Genauso die Linken-Vorgängerin PDS, die auch nach der Bundestagswahl 1994 keinen Fraktionsstatus erreichte, sondern nur wegen einiger gewonnener Direktwahlkreise mit einer größeren Gruppe in den Bundestag einzog. 2002 zogen nur die beiden direkt gewählten PDS-Abgeordneten Gesine Lötzsch und Petra Pau ein. Ihnen wurde wegen zu geringer Größe die Anerkennung als Gruppe verweigert.
Die finanzielle Ausstattung einer Gruppe ist fast so gut wie die einer Fraktion, allerdings wird der Grundbetrag von rund 470.000 Euro im Monat halbiert. Damit der Schmerz nicht zu groß wird, gibt es aber einen Sondergrundbetrag für eine Gruppe. Und ebenso wie für CDU/CSU und AfD gibt es Oppositionszuschläge und außerdem den bei Fraktionen üblichen Betrag von rund 10.000 Euro pro Mitglied und Monat. Diese Leistungen würden allerdings auch einer Gruppe Wagenknecht zustehen, deren Mitglieder auch Rederecht in allen Debatten und Teilnahmerecht in den Bundestagsausschüssen und im Ältestenrat hätten. Sie dürfen wie Fraktionen Gesetzentwürfe, Anträge, Entschließungsanträge sowie Große und Kleine Anfragen einbringen und Anträge zur Geschäftsordnung stellen.
Gruppen im Bundestag haben allerdings kein Recht auf einen Vizepräsidenten wie die Fraktionen. Die Linken-Vizepräsidentin Petra Pau soll jedoch, wie aus anderen Fraktionen zu hören ist, im Amt bleiben, auch wenn sie keiner Fraktion mehr angehört. Damit würde dann eine Gruppe eine Vizepräsidentin stellen, die ungleich größere AfD-Fraktion jedoch nicht.