Aufgehebelte Türen, zerborstene Fenster, drinnen aufgerissene Schubladen, zerwühlte Wäsche. Einbruchsopfer stehen in den Trümmern ihrer Wohnung. Fremde Menschen haben ihnen Erinnerungen, Familienkostbarkeiten, Schmuck und Geld genommen. Oft rücksichtslos gewütet und zerstört. Im vergangenen Jahr meldeten die Opfer 66.000 solcher Einbrüche und Einbruchsversuche an die Polizei. Kein Wunder, daß die Beamten Alarm schlagen. Denn damit ist die Zahl der sogenannten Wohnungseinbruchdiebstähle (WED) bundesweit explosionsartig gestiegen – um 21,5 Prozent. Der verursachte Schaden belief sich auf über 280 Millionen Euro. Dabei informiert die Polizei seit Jahren bundesweit über Sicherungsmaßnahmen. Denn den besten Schutz gegen Einbrecher können wir alle selber leisten, er heißt: Vorsorge.
Polizeidirektion Berlin, Sonntag 15 Uhr. Im Beratungszentrum im ehemaligen Flughafen Tempelhof geben sich die Interessenten zum bundesweiten Tag des Einbruchschutzes die Klinke in die Hand. „Eben hatte ich hier eine Dame, die ihre Altbau-Doppelflügelfenster nachrüsten will“, sagt Erster Kriminalhauptkommissar Georg von Strünck. Er ist Sachgebietsleiter Technische Prävention des Berliner Landeskriminalamtes. Ertüchtigen und Nachrüsten sind die Schlagworte, um so gesicherte Fenster und Türen in Bestandsimmobilien zum Alptraum eines Einbrechers zu machen. „Hier haben wir ein Fenster nachgerüstet mit zertifizierten Beschlägen mit Pilzkopfzapfen“, sagt von Strünck. „Meine Kollegen und ich haben es versucht aufzubrechen, nach zwölf Minuten haben wir aufgegeben.“
„Einbrüche sind kein
gottgegebenes Schicksal“
Je länger das Öffnen eines Fensters oder einer Tür dauert, desto größer ist für den Kriminellen die Gefahr der Entdeckung. Und desto eher wird er vom Einbruch absehen. Seit Jahren klärt darüber die Polizei auf. Seit Jahren rüsten Eigenheimbesitzer und Mieter auf. Doch trotz alledem stieg die Zahl der Wohnungseinbrüche kontinuierlich vom Jahr 2009 mit 113.800 Fällen bis zum Jahr 2015 auf 167.136 Fälle. Ab 2016 mit 151.265 Wohnungseinbruchsdelikten sank sie bis zum Jahr 2021 auf 54.235 Fälle. „Diese Entwicklung ist wesentlich auf umfängliche präventive und repressive polizeiliche Bekämpfungsmaßnahmen zurückzuführen“, berichtet das Bundes-kriminalamt (BKA), „wobei in den Jahren 2020/21 auch die Covid-19-Pandemie mit vermehrtem Homeoffice und Grenzkontrollen/-schließungen eine Rolle gespielt haben dürfte.“ Interessant dabei ist, daß der Versuch, also die nichtvollendete Tat, seit 1993 mit damals noch 28,3 Prozent, kontinuierlich angestiegen ist. 2021 lag sie bei 48,7 Prozent, „was auf die Wirksamkeit von Präventionsmaßnahmen, insbesondere technischer Sicherungseinrichtungen, zurückgeführt wird“, so das BKA. Und genau hier setzen die Präventionsveranstaltungen der Länderpolizei an.
„Einbrüche sind kein gottgegebenes Schicksal, wir können alle etwas dagegen tun“, sagt von Strüncks Kollege Jens Fritsch. „Es gibt drei Aspekte, auf die wir von polizeilicher Seite immer wieder hinweisen, die einen Einbruch enorm erschweren. Zum einen die Technik, zum anderen das persönliche Verhalten und zu guter Letzt die gute Nachbarschaft.“
Fritsch rät dazu, sich erst einmal einen Überblick über den Zustand der eigenen verbauten, also bestehenden Türen und Fenster zu machen. Sind die nach DIN 1627 zertifiziert? Die DIN-Nummer umfaßt sechs Sicherheitsklassen. „Bei Neubauten oder Renovierungen können wir so beraten, daß das Haus komplett einbruchshemmend ausgestattet wird.“ Aber es gibt auch Nachrüstbauteile, um die Sicherheit zu ertüchtigen“, wie Fritsch formuliert. Zum Beispiel die oben erwähnte Pilzkopfvariante mit abschließbarem Fenstergriff und mindestens 100 Newtonmeter Verdrehwiderstand. Fast alle Angriffe, um in eine Wohnung oder ein Haus zu gelangen, werden übrigens über Fenster und Türen begangen. „Allerdings“, gibt Fritsch zu bedenken, „Mieter können nur in Absprache und mit Genehmigung des Vermieters die Sicherheitstechnik installieren lassen“. Auch Eigentümer einer Wohnung in einem Mehrfamilienhaus müssen zuvor die Zustimmung der Wohnungseigentümergemeinschaft einholen. „Denn ein zusätzlicher Panzerriegel an der Wohnungstür ist nur durch die Bohrung ins Türblatt einzubauen, das verändert natürlich das äußere Erscheinungsbild des Hausflurs.“ Aber weit über 50 Prozent der Einbrüche erfolgen über das Fenster. Die Polizei Köln ordnet, einzigartig im Bundesgebiet, die Einbrüche statistisch den Stockwerken zu. Daher ist bekannt, daß auch in Mehrfamilienhäusern die Einbrecher vorzugsweise in Erdgeschoßwohnungen einbrechen und nicht, wie oft zu lesen, in Dachgeschoßwohnungen. Dazu müßten sie nämlich durch die Haustür in den Hausflur gelangen.
Der zweite Aspekt, das persönliche Verhalten, ist genauso wichtig. Denn was nützt die sicherste Tür, wenn sie nicht abgeschlossen ist. Fritsch: „Die kann man dann wirklich mit dem berühmten Scheckkartentrick öffnen.“ Auch gekippte Fenster sind eine regelrechte Einladung für Einbrecher. Also: Alle Fenster kontrollieren, bevor man aus dem Haus geht. In Mehrfamilienhäusern sollte man eben nicht beim Klingeln sogleich den Türsummer betätigen. „Erkundigen Sie sich, wer unten an der Tür steht.“ Wer in einem eingerüsteten Haus wohnt, muß sich der Tatsache bewußt sein, daß die Einbruchsgefahr erhöht ist. Denn die Täter können relativ unbeobachtet sogar bis in die obersten Stockwerke gelangen. „Es liegt auf der Hand, daß Balkontüren im vierten Stock weniger einbruchshemmend gesichert sind als im Erdgeschoß die Terrassentüren“, sagt Fritsch. „Wir empfehlen, bei Baugerüsten die Hausratversicherung zu informieren“
Die gute Nachbarschaft sollte sich übrigens nicht nur auf „Guten Tag“ und „Schönen Weg“ beschränken. „Sagen Sie ihren Nachbarn Bescheid, wenn Sie in den Urlaub fahren. Ein Überquellen des Briefkastens ist für viele Einbrecher ein guter Hinweis: Da ist jemand schon länger nicht im Hause. Sehen Sie Unbekannte auf dem Grundstück, rufen Sie die Polizei über 110. Es ist besser, wir werden einmal zu viel als zu wenig alarmiert. Und nein, solch einen Einsatz muß niemand zahlen – auch wenn die Unbekannten dann verschwunden sind“, nimmt Fritsch die Angst vor einem unbefugten Notruf. „Das ist keiner.“ Apropos Aufmerksamkeit. Das Raunen über die sogenannten Gaunerzinken ist eine Mär. Die Polizei Berlin hat ein Jahr lang Meldungen dazu erfaßt. „Die Leute schickten uns Fotos dieser sogenannten Gaunerzinken und anschließend evaluierten wir ob dort eingebrochen worden ist“, sagt Frisch. „Ganz klar: Nein! Es waren entweder Graffiti-Tags, Abnutzungserscheinungen durch Schlüssel, Notizen von Handwerkern oder von Paketboten, die an Klingeln markiert haben, welcher Nachbar öfter im Hause ist und Pakete annimmt.“
Eine Alarmanlage, die Polizei nennt sie „Einbruchmeldeanlage“ (EMA), rundet das Sicherheitspaket ab. Fritsch: „Wir als Polizei empfehlen allerdings, die Anlage auf eine Wachschutzfirma aufzuschalten.“ Und man darf nicht vergessen, daß die EMA zwar einen Einbruch meldet, ihn allerdings nicht verhindert. Alarmanlagen sind gut, aber: „Die Basis des Einbruchschutzes ist die Sicherung der Fenster und Türen vor Aufbruch, genauer: Mechanik geht vor Elektronik.“ Was sind das denn nun für Typen, diese Einbrecher? Fritsch: „Für Berlin kann man sagen, daß es nicht ‘den Einbrecher’ gibt. Vom jugendlichen Laien in Sportschuhen bis hin zu professionell vorgehenden Banden ist alles unterwegs.“
Grundsätzlich ist das Gewaltpotential bei Einbrechern geringer als bei Räubern. Wer einen Täter auf frischer Tat erwischt, sollte Abstand halten. „Ermöglichen Sie ihm die Flucht, stellen Sie sich ihm nicht in den Weg. Wenn Sie ihn in eine Ecke drängen, könnte es zum Gerangel kommen und Sie sich verletzen. Wenn er flüchtet, schauen Sie, in welche Richtung er rausläuft. Benutzt er ein Auto, erkennen sie den Typ, das Kennzeichen? Ist er Beifahrer, dann hätte er einen Komplizen. Wie sieht der Täter aus? Und machen Sie auf sich aufmerksam, rufen sie um Hilfe. Dann sofort Polizei alarmieren.“
Übrigens: Bei den polizeilichen Beratungsstellen kann sich jeder kostenlos informieren oder die Experten zu sich nach Hause einladen.