© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 45/23 / 03. November 2023

Durchs Tal zum Gipfel
Mehrere linke Medien beklagen eine Krise: Das mobilisiert Leser, Spender und Förderungsrufer
Gil Barkei

Der große Stand auf der Frankfurter Buchmesse verkündete es mehr als deutlich: das Anfang September noch von der Insolvenz bedrohte (JF 38/23) linke Magazin Katapult ist gerettet. Das Greifswalder Medien-Startup hatte sich mit zahlreichen unterschiedlichen Projekten übernommen und brauchte 450.000 Euro. Innerhalb von nur zwölf Tagen kamen laut Angaben des Verlags durch Shopverkäufe (370.000 Euro), neue Abos (132.000 Euro) und Spenden (20.000 Euro) 522.000 Euro zusammen. 

Hinzu kommen erwartete 1,3 Millionen Euro jährliche Mehreinnahmen durch eine Preiserhöhung beim Heft (735.000 Euro) und bei der Mecklenburg-Vorpommern-Regionalausgabe (135.000 Euro) sowie Einsparungen in Höhe von 400.000 Euro. Beeindruckende Zahlen, die ohne das solidarische Rühren der Werbetrommel in der linken Medienblase bis hin zu langfristige Sicherheit bietenden Kooperationen kaum möglich gewesen wären. So winkt beispielsweise eine Zusammenarbeit mit dem selbsternannten Recherchezentrum Correctiv – und damit Stiftungsgelder und staatliche Fördertöpfe.

Die Rettungskampagnen 

sind erfolgreich

Auch das ökonomisch leckgeschossene linke Satiremagazin Titanic entging kurz darauf dem Untergang. „Wir haben unser Ziel erreicht“, sagte Chefredakteurin Julia Mateus dem Spiegel, es liege sogar eine „Übererfüllung des Plans“ vor. Dank 6.000 neuer Abos in lediglich zwei Wochen und 500 verkaufter T-Shirts, die zusammen 34.000 Euro auf ein Spendenkonto spülten, sei das Blatt „jetzt erst mal für mindestens ein Jahr safe“, Abos und Großspenden seien „trotzdem weiterhin willkommen“. Auch für Titanic hatten sich mehrere linke TV- und Kulturgrößen wie Jan Böhmermann oder Sarah Bosetti in einer Rettungskampagne engagiert: „Satire darf alles, kann aber nichts. Vor allem nicht mit Geld umgehen!“

Trotz dieser erstaunlichen Erfolgsgeschichten wird das Juste milieu nicht müde, vor einer „Krise linker Medien“ zu warnen, wie die taz schrieb. Denn neben Katapult und Titanic seien auch nd, vormals Neues Deutschland, Oxi und das Missy Magazin bedroht. Dem nd fehlen 635.000 Euro, die tägliche gedruckte Ausgabe wurde bereits eingestellt. Doch im Zuge des „nd-Rettungsrings“ gingen 171.000 Euro ein, erbeten waren bis Ende Oktober 150.000. In der nd-Commune heißt es dazu (n)ostalgisch süffisant: „Mit Planerfüllung und -übererfüllung hat diese Zeitung aus ihrem früheren Leben umfassende Erfahrungen. Oder wie es seinerzeit hieß: allumfassende Erfahrungen. Nun haben wir, nein, haben Sie wieder einen Plan übererfüllt.“ Schon Mitte vergangenen Monats stellte die nd.Genossenschaft daher fest, „daß wir vorerst gerettet sind“.

Die linke Wirtschaftszeitung Oxi veröffentlichte Anfang August ihre letzte Druckausgabe, besteht aber als Blog weiter. Auch das kürzlich 15 Jahre alt gewordene feministische Magazin Missy schwächelt. Schuld seien vor allem gestiegene Produktionskosten und ein Rückgang der Abozahlen, erzählen die Macherinnen Nelli Tügel und Marie Serah Ebcinoglu der taz. Viele Leser kündigten, weil sie sich die Lektüre aufgrund der Inflation schlicht nicht mehr leisten könnten. Trotzdem erzielte eine Rettungskampagne in nur 48 Stunden 1.500 neue Abos – veranschlagt waren eigentlich zehn Wochen.

Läuft zwar holprig bei den Linken – so wie bei allen Print-Erzeugnissen im Zeitalter der Digitalisierung –, aber läuft. Doch die Verleger, Gründer und Redakteure werden nicht müde, vor der großen Gefahr, dem Verstummen linker, so wichtiger Stimmen zu warnen. Während böse rechte und liberale Medien – so die mal mehr, mal weniger subtile Legende – sich festsetzen könnten, so daß Compact bis JUNGE FREIHEIT „florieren“ würden, wie die taz schreibt. „Es gibt gerade einen Rechtsruck, neu gegründete rechte Medien, wie Nius, haben super viel Geld im Rücken. Wir haben es nicht. Und wenn man will, daß es eine alternative Medienlandschaft gibt, dann muß man dafür zahlen“, sagen auch Tügel und Ebcinoglu. Linke Medien, kein Geld? Amüsant! 

Die Debatte befeuert dennoch Forderungen nach einer Presseförderung, bei denen die Öffentlich-Rechtlichen längst auch von links neidisch kritisiert werden. Die im Subtext stets mitschwingende, Ansprüche stellende Frage: Wenn der Rundfunkbeitrag eine „Demokratieabgabe“ darstellt, warum sollten andere Presseerzeugnisse nicht genauso wichtig für die berühmte freiheitliche demokratische Grundordnung und damit förderungswürdig sein?