© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 45/23 / 03. November 2023

Kartographie in Pommern zwischen Legende und Wirklichkeit
Auf der Suche nach Vineta
(ob)

Vineta, Vineta, du rieke Stadt, Vineta soll unnergahn.“ Dieser Satz einer Wasserfrau kündigte nach einer in Pommern einst jedem Schulkind bekannten Sage das göttliche Strafgericht über die sittenlose Handelsstadt an. Lage und Größe des sündigen Sodom und Gomorrha an der Ostseeküste waren jedoch unbekannt. Was Kartographen zwischen dem frühen 16. und der Mitte des 19. Jahrhunderts nicht davon abhielt, den Ort wahlweise als Handelsplatz oder Stadt zu verzeichnen, wie der Historiker Ingvar Lind-qvist (Greifswald) anhand der Kartensammlungen der Universität Greifswald und der Bayerischen Staatsbibliothek in einer reich illustrierten Studie nachweist (Pommern, 3/2023). 300 Jahre kartographische Erfassung Pommerns zeigen, so lautet das Fazit seiner detektivischen Spurensuche, wie eng Legende und Wirklichkeit damals verwoben waren. Denn ungeachtet des ersten, 1.700 Karten und 77 Beschreibungsbände umfassenden Katasters der Landesaufnahme von Schwedisch-Vorpommern, Ende des 17. Jahrhunderts begonnen, die weder eine Insel noch eine Stadt Vineta verzeichnet, findet sich der sagenhafte Ort bis 1850 weiterhin auf vielen Karten. Verlegt zumeist vor die Nordwestküste Usedoms und markiert als „Überreste der versunkenen Stadt“. Erst präzisere Vermessungsmethoden löschten Vineta kartographisch aus. 


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