Als Jugendliche waren sie ziemlich beste Freundinnen, die temperamentvolle Magalie und die etwas zurückhaltendere Blandine. Die erste Szene des Films zeigt, wie Magalie ihre Freundin auf verantwortungslose Weise von der Arbeit als Babysitterin abhält. Sie legt eine CD mit der Filmmusik zu „Im Rausch der Tiefe“ (1988) von Luc Besson ein, und mit Hilfe von etwas Hochprozentigem fühlen die beiden Mädchen sich auch bald selbst wie im Rausch. Später fassen sie den Plan, gemeinsam auf die Kykladeninsel Amorgos durchzubrennen, wo der Filmklassiker spielt.
Drei Jahrzehnte später durchlebt Blandine (Olivia Côte) nach der Scheidung von ihrem Ehemann eine Phase der Niedergeschlagenheit. Daß die neue Frau ihres Ex in freudiger Erwartung ist, macht die Sache nicht besser. Ihre Seelenpein bleibt auch Sohnemann Benjamin (Alexandre Desrousseaux) nicht verborgen. Er sorgt sich um seine Mutter. Beim Entrümpeln fällt den beiden die CD mit der Filmmusik zu „Im Rausch der Tiefe“ in die Hände, und Blandine erzählt ihrem erwachsenen Sohn von der längst zerbrochenen Freundschaft. Das bringt den jungen Mann auf eine Idee: Er sucht Magalie (Laure Calamy) im Internet, findet sie tatsächlich und überredet sie, an seiner Stelle mit Blandine die Reise nach Amorgos zu machen, die diese nun endlich verwirklichen möchte, um auf andere Gedanken zu kommen.
Achtundsechziger-Zöpfe aus der Mottenkiste
Schon nach dem ersten Wiederkennenlerngespräch ist für Blandine klar: Sie und die alte Freundin passen zusammen wie Bulle und Milchwagen. Für Magalie ist das Leben eine einzige große Party, zu der man nur hingehen muß, für Blandine eine permanente Tour de force. Von Benjamins Überraschungsgeschenk, seinen Reiseplatz an Magalie abzutreten, ist sie mithin überhaupt nicht begeistert. Aber der Film wäre an dieser Stelle zu Ende, wenn die beiden Mittvierzigerinnen nicht am Ende doch gemeinsam auf die Kykladeninsel aufbrechen würden.
Der Rest der Geschichte ist so vorhersagbar, wie es immer der Fall ist, wenn eine bestimmte Masche zur Anwendung kommt. In den vergangenen Jahren war das bereits bei den ebenfalls hier vorgestellten Filmen „Töchter“ (JF 40/21) und „Die goldenen Jahre“ (JF 47/22) der Fall. Wie dort kommt es auch in „Reif für die Insel“ zu Streit und Versöhnung, werden Urlaubsbekanntschaften gemacht, klopft die Liebe an die Tür und wird es auch mal peinlich – vor allem wenn die alten Achtundsechziger-Zöpfe aus der Mottenkiste geholt und immer noch nicht abgeschnitten werden. Magalie findet es toll, auch mal im Evakostüm durch die Ferienwohnung zu tapern. Verantwortungsloser Sex und Rauschgift kommen als Teil der Lösung statt als Teil des Problems mal wieder viel zu gut weg.
Durch vermeidbare Fehler, die zum Lachen bringen, verzögert sich die Ankunft des ungleichen Duos am Zielort. Erst stranden die beiden auf dem öden Eiland Kerinos, wo sie auf eine Gruppe deutscher Hobby-Archäologen stoßen. „Die sehen älter aus, als die Steine, die sie ausgraben“, spottet Magalie. Dann landen sie versehentlich auf Mykonos. Das Drehbuch läßt die Damen also an verschiedenen idyllischen Orten das Festland betreten – ein Rezept, das sich schon beim ZDF-Traumschiff bewährt hat.
Die Begegnung mit Magalies alter Freundin Bijou (Gaststar Kristin Scott Thomas) auf Mykonos, in deren sonnendurchflutetem Heim den beiden Freundinnen sofort Asyl gewährt wird, sorgt für die erwähnte Zufuhr von Rauschmitteln. Immerhin wird nun aber doch endlich deutlich, daß ein Leben im Party-Dauermodus nicht funktioniert und daß man gut beraten ist, sich nach etwas umzusehen, das wirklich tragfähig ist und nicht bei der ersten Krise zum Zusammenbruch führt. Diesen nachdenklichen Ton hätte man dem Film von Regisseur und Drehbuchautor Marc Fitoussi (47) etwas früher gewünscht. Denn in der ersten von insgesamt fast zwei Filmstunden verplempert er zu viel Zeit mit Banalitäten.
Kinostart ist am 30. November 2023