Paukenschlag in Frankreich: Krachend sind Emmanuel Macron und sein Innenminister Gérald Darmanin mit ihrem neuen Einwanderungsgesetz im Parlament gescheitert: Die Mehrheit der Nationalversammlung folgte am Montag einem Antrag der Grünen – inklusive Le Pens Rassemblement National. Nun ist guter Rat teuer, nicht nur weil Präsident und Minister durch immer neue Attentate unter Druck stehen – im Oktober hatte ein Islamist einen Lehrer erstochen, im November mutmaßlich aus Haß auf Weiße Ausländischstämmige einen Minderjährigen und im Dezember ein Terrorist einen 24jährigen deutschen Touristen. Brisant ist die Klatsche auch, weil Macron Darmanin als Nachfolger will – da kommt jede Niederlage ungelegen.
Der 41jährige ist einer der schillerndsten Anhänger Macrons, dem er ab 2017 als Finanzminister diente, bevor er 2020 das Innenministerium übernahm. Dabei kommt er vom rechten Flügel der Republikaner, also Macrons konservativer Konkurrenz, deren Vizegeneralsekretär Darmanin war. Doch im März 2017 überwarf er sich mit seiner Partei, nachdem sich deren Präsidentschaftskandidat François Fillon durch die Scheinbeschäftigung seiner Frau kompromittiert hatte. Kurz darauf wurde Darmanin, immer noch Republikaner-Mitglied, Minister des Wahlsiegers Macron, dessen Partei er aber erst im November beitrat.
Darmanins Abstammung gibt ihm „Beinfreiheit“, wenn er Moscheen schließen oder Gefährder ausweisen läßt.
Kaum eine andere Personalie macht deutlicher, wie rasant sich damals Frankreichs politische Tektonik verschob. Noch im Januar 2017 hatte Darmanin mit einer vielbeachteten Polemik in der Zeitung L’Opinion gegen Macron von sich reden gemacht, die diesen als „BoBo-Populist“ (Bourgeois Bohémien), sprich nonkonformistischen populistischen Spießer geißelte, von dem niemand wisse, wofür er stünde. Danach nahm er sich aber wohl die Weisheit des chinesischen Generals und Strategen Sunzi zu Herzen, den Feind, den man nicht besiegen kann, zu umarmen.
Macron zeigt sich angetan von der Akribie, mit der der Eliteuni-Absolvent (Science Po Lille) – Sohn einer Putzfrau und eines Kneipiers aus dem nordfranzösischen „Rostgürtel“ um Valenciennes – das Innenressort führt. Zudem stammen Darmanins Großväter aus Algerien und Malta, was verdeutlicht, daß es Frankreich mit Integration und Aufstieg von Einwanderern ernst ist.
Denn das bedeutet „Beinfreiheit“ für „Frankreichs obersten Bullen“, so das Nachrichtenmagazin L’Obs, egal, ob er Moscheen schließen oder 2020 nach dem ersten islamistischen Mord an einem Lehrer 231 Gefährder ausweisen ließ. Ganz nebenbei geht auch das Verbot des Großteils der Identitären Bewegung 2021 auf sein Konto. Und darum stärkte Macron ihm schweigend den Rücken, als letztlich nicht belegbare Vergewaltigungsvorwürfe gegen Darmanin aufkamen oder dieser Italiens Regierungschefin Giorgia Meloni unerhörterweise zum „Feind“ erklärte, da sie die Migrationsströme nicht in den Griff bekomme.
Es ist offensichtlich, daß der Präsident, der 2027 gemäß Verfassung nicht ein drittes mal kandidieren darf, Darmanin als Nachfolger im Rennen halten will. Dessen Feuertaufe werden die Olympischen Spiele 2024 in Paris sein, während der er die Sicherheit zu garantieren hat. Und das angesichts dessen, daß Frankreich in den vergangenen Jahren im Durchschnitt alle zwei, drei Monate von Terroranschlägen erschüttert worden ist.