© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 04/24 / 19. Januar 2024

Protokoll eines Medienskandals
Anti-AfD-Kampagne: Wie die teils steuerfinanzierte linke Rechercheplattform „Correctiv“ mit nachrichtendienstlichen Methoden versucht, ein rechtes Treffen zu skandalisieren und die Verbotsdebatte gegen die AfD zu befeuern
Henning Hoffgaard

Wurde im November in einem Potsdamer Hotel die Deportation von Millionen Menschen aus Deutschland geplant? An einer entsprechenden Recherche des auch aus Steuergeldern finanzierten Nachrichtenportals „Correctiv“ gibt es erhebliche Zweifel. Das liegt nicht nur an der mageren Faktenlage, sondern auch den mit Steuergeldern ausgestatteten Journalisten selbst.

Ist es journalistisches Verhalten, wenn „Correctivs“ Vize-Chefin Anette Dowideit den Bundeskanzler bei Twitter auffordert: „Bitte bleiben Sie an dem Thema dran und lassen Sie nicht zu, daß die AfD sich herauswinden kann und nun behaupten kann, alles viel harmloser gemeint zu haben.“ Zuvor hatte sie sich servil bedankt, daß der SPD-Politiker und Regierungschef Deutschlands das Medium erwähnt.

Fakten scheinen der richtigen Meinung nachrangig. So behauptet „Correctiv“: „Menschen sollen aus Deutschland verdrängt werden können, wenn sie die vermeintlich falsche Hautfarbe oder Herkunft haben – und aus Sicht von Menschen wie Sellner nicht ausreichend ‘assimiliert’ sind.“ Einen Beleg war das Medienunternehmen schuldig geblieben. Über Hautfarben wurde auf dem Treffen zu keinem Zeitpunkt gesprochen, sagen mehrere Teilnehmer gegenüber der JUNGEN FREIHEIT aus. 

Die JF konfrontierte die Essener Redaktion mit offenen Fragen, fehlenden Beweisen und unvollständigen Zitaten. Warum wurden fast alle Zitate nur in Halbsätzen angeführt und nicht in Gänze? Auf welche Personengruppen bezog sich der Fraktionschef der AfD im Landtag von Sachsen-Anhalt, Ulrich Siegmund, denn genau, als er bei der Konferenz sagte, Sachsen-Anhalt solle „für dieses Klientel möglichst unattraktiv sein“? Ging es bei der Konferenz, wie behauptet, explizit darum, Deutsche mit Migrationshintergrund abzuschieben, oder nur kriminellen Doppelstaatlern den deutschen Paß zu entziehen? Wurde überhaupt von „Vertreibung“ gesprochen? Welche „rassistischen Kriterien“ wurden konkret aufgestellt, die zur Abschiebung führen sollen?

Alle Teilnehmer bestätigen, daß es nicht um Vertreibungen ging

„Correctiv“ macht daraus ein Geheimnis. Warum? Der Chefredakteur von „Correctiv“, Justus von Daniels, macht aus dem, was nun seiner Meinung nach folgen muß, kein Geheimnis. „Das Treffen könnte die Debatte um das Verbotsverfahren der AfD neu beleben, weil hier ein wichtiger Baustein gezeigt wird, wie eng die Vernetzung zwischen hochrangigen AfDlern und den Rechtsradikalen ist. Und wenn es diese Vernetzung gibt, was da besprochen wird, nämlich absolut verfassungsfeindliche Ziele.“ 

Medial werden die bisher nicht bewiesenen Behauptungen dagegen gern übernommen. Der Spiegel etwa sieht in den Plänen der Nationalsozialisten, Millionen Juden nach Madagaskar zu deportieren, ein „historisches Vorbild“. Justizminister Marco Buschmann (FDP) spricht von „Deportationen“.

Was war geschehen? Am 25. November 2023 treffen sich etwa 20 bis 25 Personen zu einer Veranstaltung im Potsdamer Landhaus Adlon. Neben Siegmund kamen auch die Bundestagsabgeordnete Gerrit Huy, Roland Hartwig, der bis Montag noch Referent von AfD-Parteichefin Alice Weidel war (siehe zu den Reaktionen die Seiten 3 und 4), der Staatsrechtler Ulrich Vosgerau, Mitglieder der Werteunion sowie der „Identitäre“ Martin Sellner. Der Verfassungsschutz stuft die Identitäre Bewegung (IB) als Verdachtsfall ein. Die IB ist demnach gesichert rechtsextremistisch. Laut dem Hotelbesitzer waren weitere nicht beteiligte Gäste, darunter ein Journalist von „Correctiv“, im Haus eingemietet.

„Geheimplan gegen Deutschland“ wird der Artikel heißen. Es gibt einen Prolog, Akte, Szenen und einen Epilog. „Sie planten nichts Geringeres als die Vertreibung von Millionen von Menschen aus Deutschland“, behauptet das Portal. 

Doch zu dem Treffen wurden Einladungen verschickt. Redner und Gastgeber wurden genannt. Ein auch für andere zugänglicher Konferenzsaal wurde angemietet. Und während der Vorträge  wurden nicht mal die Jalousien zugezogen. Geheim waren indessen die vier Kameras, die „Correctiv“ rund um das Landhaus angebracht hat, um den Konferenzraum auszuspähen. Dem Online-Medium „Nius“ gegenüber verneint man, die Veranstaltung auch tontechnisch aufgezeichnet zu haben.

Den sogenannten Geheimplan soll der Vortrag von Martin Sellner ausmachen. Der JF sagt Sellner, es sei nie um Vertreibungen gegangen. Das bestätigen alle Teilnehmer des Treffens, mit denen die JF sprechen konnte. „Alle Punkte, die ich im Vortrag angesprochen habe, vertrete ich auch öffentlich(...). Die vermeintlichen Zitate aus meinem Vortrag wurden sinnentstellend gekürzt und verzerrt“, sagt Sellner. Laut „Correctiv“ habe Sellner drei Gruppen genannt, die Deutschland verlassen müßten: Asylbewerber, Ausländer mit Bleiberecht – und „nicht assimilierte Staatsbürger“. Sellner wiederholt in seinem Vortrag in Potsdam, was seit August 2023 ohnehin öffentlich ist.

„Correctiv“ bauscht weiter auf, wenn es schreibt: „Im Grunde laufen die Gedankenspiele an diesem Tag alle auf eines hinaus: Menschen sollen aus Deutschland verdrängt werden können, wenn sie die vermeintlich falsche Hautfarbe oder Herkunft haben. Auch wenn sie deutsche Staatsbürger sind. Es ist gegen die Existenz von Menschen in diesem Land gerichtet.“ Und ohne Untermauerung durch ein Zitat schlußfolgern die Journalisten im Konjunktiv: „Das wäre ein Angriff auf das Grundgesetz – auf das Staatsbürgerrecht und auf den Gleichheitsgrundsatz.“ Wenn es denn wahr wäre.

Sellner sagt der JF, er sei stets darauf bedacht, alle Ideen zur Abschiebepolitik immer im Rahmen der geltenden Gesetze zu formulieren. Andere Gäste der Veranstaltung, mit denen die JF sprechen konnte, bestätigten die Aussage. Auch öffentlich beteuert der Österreicher, „Remigration“ bedeute nicht, „Staatsbürgerschaften aufgrund von biologischen Markern zu entziehen“.

Roland Hartwig kann sich nicht erinnern, daß Sellner etwas vorgetragen habe, „was nach deutschem Recht als verfassungswidrig einzustufen gewesen wäre. Schon gar nicht war davon die Rede, daß ‘Migranten mit deutschem Paß’ aus Deutschland vertrieben werden müßten“, sagt er der JF.

Warum ist der ehemalige Bundestagsabgeordnete an diesem Tag in Potsdam? Ein Privatmann habe das Treffen organisiert. „Es sollten Vorträge gehalten und Projekte vorgestellt werden, die Referenten wurden im Vorfeld nicht bekanntgegeben. So habe ich erst am Veranstaltungstag selbst erfahren, daß auch Herr Martin Sellner anwesend ist und vortragen wird.“

Hartwig selbst stellt ein Social-Media-Projekt vor, „für das auch Sponsoren eingeworben werden sollen und das auch für die AfD interessant sein könnte“, schildert er. „Correctiv“ habe „unter Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel ein privates Treffen belauscht, in dem nichts Verfassungsfeindliches besprochen wurde. Diese ‘Lücke’ versucht ‘Correctiv’ mit eigenen Interpretationen und Mutmaßungen zu schließen“, kritisiert Hartwig. Es gäbe überhaupt keinen Grund, „von der Parteiposition der AfD zum deutschen Staatsvolk und zur deutschen Identität abzurücken“. Diese hatte die Partei in einem Grundsatzbeschluß niedergeschrieben: „Als Rechtsstaatspartei bekennt sich die AfD vorbehaltslos zum deutschen Staatsvolk als der Summe aller Personen, die die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen.“

Der Sachsen-Anhalter Siegmund stimmt zu. Er war als Privatmann vor Ort. Als er den „Correctiv“-Bericht gelesen habe, sei er aus allen Wolken gefallen. „Während der gesamten Tagung ging es nicht einmal um ‘Vertreibung’ oder ‘Hautfarben’.“ Die Begriffe seien nicht gefallen. Mit seiner Aussage wonach Sachsen-Anhalt „für dieses Klientel möglichst unattraktiv zu leben“ sein solle, habe er „illegale und straffällige Migranten“ gemeint, erklärt Siegmund der JF. Er sowie die Bundestagsabgeordnete Huy kündigten an, rechtliche Schritte gegen die Berichterstattung einzulegen.

Auch SPD und CSU diskutieren Abschiebung von Straftätern

Doch wieviel AfD steckte überhaupt in dem Treffen? „Es ging darum, einen höheren Integrationsdruck auf deutsche Staatsbürger in Parallelgesellschaften auszuüben. Mal abgesehen davon, daß ich vor meinem Eintreffen nur von einem Social-Media-Vortrag gewußt habe und dieser Vortrag für mich insofern eine Überraschung war, spielt das für unsere Programmarbeit überhaupt keine Rolle“, sagt AfD-Abgeordnete Huy der JF. Über eine Ausweisung deutscher Staatsbürger sei nicht gesprochen worden.

Daß die AfD sich für „Remigration“ einsetze, sei kein Geheimnis. Gemeint seien „ausländische Personen, die sich nicht integrieren und nichts zu unserer Gesellschaft beitragen“, bekräftigt Huy. Grundsätzlich fordere die AfD die Schließung der EU-Außengrenzen, Asylzentren in Nordafrika und strenge Personenkontrollen an den deutschen Grenzen. Das individuelle Asylgrundrecht solle durch ein Asylgesetz ersetzt werden. „Das Asylrecht darf nicht länger als ein Vehikel der Masseneinwanderung mißbraucht werden“, stellt die Partei in einer Pressemitteilung klar.

Das Gefühl, auf einem Hinterzimmer-„Geheimtreffen“ gewesen zu sein, hat die 70jährige Huy nicht. „Das Treffen war inhaltlich unspektakulär. Es gab eine Reihe von Vorträgen, man hat am Rande miteinander gesprochen. Das passiert in Deutschland jeden Tag hundertfach.“

Den eigentlichen Skandal sieht die Politikerin woanders: „Der besteht darin, daß die durch Regierungsgelder finanzierte Organisation ‘Correctiv’ die Privatsphäre von Bürgern ausspäht, um gegen die demokratische Opposition eine verleumderische Schmutzkampagne loszutreten. Das sagt auch etwas über den Zustand unserer Demokratie aus.“

Es bleibt ein letzter Vorwurf. Verfolgt die AfD einen „Masterplan“ zur „Ausweisung von deutschen Staatsbürgern“, wie das Medium behauptet? Also einen Plan, „um die Artikel 3, Artikel 16 und Artikel 21 des Grundgesetzes zu unterlaufen“? Artikel 3 beinhaltet den Gleichheitsgrundsatz „Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich“. Artikel 16 schreibt vor: „Die deutsche Staatsangehörigkeit darf nicht entzogen werden. Der Verlust der Staatsangehörigkeit darf nur auf Grund eines Gesetzes und gegen den Willen des Betroffenen nur dann eintreten, wenn der Betroffene dadurch nicht staatenlos wird.“ Artikel 21 regelt das Parteienverbot.

Die Möglichkeit, eingebürgerten Ausländern den deutschen Paß zu entziehen, ist ausdrücklich in der Verfassung erwähnt – wenn sie einen zweiten haben. Die Idee wird auch in anderen Parteien diskutiert. Ende November forderte etwa Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU): „Es darf für Doppelstaatler keinen Persilschein geben, daß ihnen die einmal erworbene deutsche Staatsangehörigkeit auf Lebenszeit garantiert ist, unabhängig davon, wie sehr sie durch schwere Straftaten unser Gemeinwesen schädigen.“ Selbst die SPD prüft Optionen, deutschen Staatsbürgern den Paß – sogar „bis zu zehn Jahre rückwirkend“, so der Vize-Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion – wieder zu entziehen, wenn dieser „durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung oder durch vorsätzlich unrichtige oder unvollständige Angaben“ erschlichen worden sei. 

Die öffentliche Debatte hat unterdessen die von „Correctiv“ beabsichtigte Richtung eingeschlagen. Bundeskanzler Scholz, der vor wenigen Wochen noch selbst „Abschiebungen im großen Stil“ forderte, schrieb von „Fanatikern mit Assimilationsfantasien“, die ein „Fall für unseren Verfassungsschutz und die Justiz“ seien. Bevor diese handeln kann, müßte die Polizei allerdings Ermittlungen aufnehmen. Auf Anfrage der JF, ob wegen des Potsdamer Treffens ein Ermittlungsverfahren eingeleitet worden sei, antwortete die Brandenburger Polizei ausweichend. „Die Berichterstattung ist der Polizei Brandenburg bekannt. Die Polizei steht bezüglich der medialen Darstellung im Kontakt mit der Staatsanwaltschaft.“





Wer finanziert das Medien­unternehmen „Correctiv“?

„Correctiv“ bezahlt eine 46köpfige Redaktion und 36 weitere Angestellte. Das kostet das Medienunternehmen jährlich rund drei Millionen Euro (2021). Die Gelder stammten hauptsächlich von Stiftungen (42 Prozent) und Privatpersonen (40 Prozent). Doch auch Steuergelder fließen an das Recherche-Netzwerk. Mit 624.000 Euro war der deutsche Steuerzahler der zweitgrößte Unterstützer von „Correctiv“ im Jahr 2022. Konkret steuerte das Land Nord-rhein-Westfalen 362.000 Euro bei. Weitere 262.000 kamen direkt und indirekt aus dem Bundeshaushalt. 2013 gründete der Journalist David Schraven mit drei Millionen Euro das gemeinnützige Unternehmen. Das Geld kam von der Brost-Stiftung seines ehemaligen Arbeitgebers, der Funke-Mediengruppe. Bis einschließlich 2018 steuerte die Stiftung weitere 3,8 Millionen Euro bei, stoppte dann die Zahlungen. Der größte Geldgeber war 2022 die Luminate-Stiftung von Milliardär und eBay-Gründer Pierre Omidyar mit 636.000 Euro. Als Vorbild für Omidyar gilt der amerikanische Investor George Soros. Die von ihm gegründete Open-Society-Foundation schickt über fünf Jahre 429.000 Euro. Langjähriger Geldgeber ist auch die Schöpflin-Stiftung mit 1,5 Millionen Euro seit 2015.  Auch die Mercator-Stiftung finanziert „Correctiv“. Seit 2019 flossen hier über 500.000 Euro. Unbekannt sind dagegen die Zahlungen von Facebook. Denn „Correctiv“ ist seit 2017 der deutschsprachige Faktenchecker für den inzwischen in Meta umbenannten Social-Media-Riesen. Trotz der Mitgliedschaft bei der Initiative Transparente Zivilgesellschaft legt das Recherche-Netzwerk diese Einnahmen nicht offen. Vergleiche mit dem britischen und französischen Gegenstück lassen jedoch 900 bis 1.800 US-Dollar pro Check erwarten. Große Summen angesichts der Vielzahl von Artikeln, die an die gewerbliche Tochtergesellschaft von „Correctiv“ gehen. Seither besteht der Verdacht, die gemeinnützige Muttergesellschaft könnte durch ihre Tochter die Steuervorteile ihrer Gemeinnützigkeit mißbrauchen.