© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 05/24 / 26. Januar 2024

Deutsches Geld für Afrikas Mittelstand
Entwicklungshilfe: Besonders in afrikanischen und lateinamerikanischen Ländern pumpt Deutschland Milliarden in die Entwicklungshilfe
Lorenz Bien

Mit der Entwicklungshilfe ist es ja so eine Sache. Von außen läßt es sich kaum abschätzen, wohin die vielen Gelder gelangen, die von Deutschland und anderen westlichen Ländern ausgegeben werden. Ebenso wie sich nur schwer bestimmen läßt, was mit dem Geld dort eigentlich geschieht und welche Effekte die zahlreichen Entwicklungsprojekte haben.

Um dieser Frage nachzugehen bildete sich im November 1999 die Partnership in Statistics for Development in the 21st Century, kurz Paris21. Das Projekt strebt nach eigener Auffassung nicht bloß das Erreichen „internationaler Entwicklungsziele“ an, sondern will „die statistischen Kapazitäten“ ausbauen und „zuverlässige Daten“ in die Entscheidungsfindung einbauen. Also: nachforschen, wohin das Geld eigentlich geht. Und welche Wirkung es zeigt.

Die zwei teuersten Projekte betreffen Indien

Auch Deutschland ist als Geberstaat im Vorstand von Paris21 und nahm „in den vergangenen Jahren regelmäßig an Veranstaltungen und Sitzungen“ des Projektes teil, wie die Bundesregierung in einer Antwort auf eine Anfrage der CDU/CSU betont.

Der Fragenkatalog der Union ist dabei durchaus brisant. Welche Projekte hat Deutschland im Zusammenhang mit Paris21 in den vergangenen Jahren unterstützt? Und wieviel Geld wurde dafür ausgegeben? Also: wieviel Geld zahlt Deutschland für den Aufbau von Datenerfassungssystemen, das Erstellen für Statistiken und deren „wirksame Nutzung“? Die Antwort: Es sind mehr als neun Milliarden.

Die zwei teuersten Projekte betreffen Indien, wo Deutschland eine Reihe Projekte unter dem Titel „Klimafreundliche Urbane Mobilität“ finanziert. Mehr als 210 Millionen Euro gehen an das teuerste dieser Projekte – die „Urbane Mobilität III“. Die Kosten für die gesamte Reihe belaufen sich im Zusammenhang mit Paris21 wiederum auf 931 Millionen Euro.

Im Fokus deutscher Berichterstattung stand bislang der Ausbau von Fahrradwegen in Peru. Im Jahr 2020 flossen etwa 20 Millionen Euro, die dem Bau von 114 kilometer Radwegen und zwölf Fahrradparkplätzen in Städten wie Villa El Salvador, Santiago de Surco und La Molina dienen sollen. Das soll, so betont es der Direktor der KfW-Bank, Simon Erhard, nicht nur der klimaneutralen Fortbewegung dienen, sondern auch der Gesundheit der Peruaner. Im Jahr 2022 wurden erneut 24 Millionen Euro gezahlt – insgesamt gab die Bundesregierung also bislang 44 Millionen Euro, damit die Peruaner radeln können. Das sei auch dringend notwendig, deutet die Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GiZ) auf ihrer Internetseite an – bis 2050 drohten sich die Emissionen des lateinamerikanischen Landes um 200 Prozent zu erhöhen. Der Statistik-Aspekt scheint dabei direkt in die gesamte Radweg-Entwicklungsförderung eingespeist zu sein. Denn die 44 Millionen Euro werden an anderer Stelle auch als Gesamtkosten des Projekts angegeben. 

Peru ist offenbar nicht das einzige Land, dem mit deutschen Geldern eine verkehrstechnische Spritze verpaßt wird. Im Rahmen eines Projekts unter dem Namen „Klimafreundliche ÖPNV- Systeme in Lateinamerika“ zahlte die Bundesregierung mehr als 106 Millionen Euro an die Zentralafrikanische Republik. Die liegt zwar nicht in Lateinamerika, gehört allerdings offenbar zum sogenannten Andenpakt – und darf dementsprechend seinen Nahverkehr mit deutschem Steuergeld ausbauen. Auch wenn die GiZ auf ihrer Internetseite davor warnt, daß „aufgrund der politischen Krise“ im Land die eigene Entwicklungshilfe „vorübergehend von Kamerun“ aus betrieben werden müsse.

Noch mehr Geld, nämlich über 131 Millionen Euro schickte die Bundesregierung für ein Projekt zur Modernisierung der Stromversorgung in Bangladesch. Darunter fallen etwa Beratungen und die Finanzierung von Ausbildungen im Bereich „Klimaschlaue Stadtentwicklung“. 

In dem ostafrikanischen Land Malawi scheint deutsches Geld wiederum einen offenbar nicht vorhandenen Sozialstaat auszugleichen. Mehr als 57 Millionen Euro fließen in den „Geldtransfer“, wie ihn die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) bezeichnet, „Soziale Absicherung von absolut Armen II und V“. 

Dabei sollen die ärmsten zehn Prozent „mittels regelmäßiger Geldtransferleistungen“ unterstützt werden, betont die KfW auf ihrer Internetseite. Darunter fallen 65.000 bedürftige Haushalte – also Haushalte, die durchschnittlich 0,18 Dollar pro Kopf und Tag zur Verfügung haben. Neben der direkten finanziellen Zuwendung sind es wohl der „Aufbau eines Management-Informationssystems und adäquater Auszahlungsstrukturen“ und die „Monitoring & Evaluierungs-Komponente zur Überprüfung der Projektumsetzung“, die mit Paris21 zusammenhängen. Ebenfalls sehr spezifisch ist die Unterstützung des Womens World Banking Capital Partners Fund. Mehr als 18 Millionen Euro gehen an diesen „global agierenden Eigenkapitalfonds“ mit Sitz auf der Insel im Indischen Ozean Mauritius, der Frauen in sämtlichen Entwicklungsländern einen „leichteren Zugang zu Finanzdienstleistungen“ bieten will – allerdings nur „umwelt- und sozialverträglich“. So sollen ausschließlich Finanzierungen angeboten werden, die „keine oder nur geringe“ schädlichen Auswirkungen auf die Natur oder „soziale Belange“ haben. Auch hier steht die KfW hinter dem Projekt.

Die westafrikanische Republik Senegal erhält etwa 242 Millionen Euro für verschiedenste Projekte wie das „Programm zur Förderung der Energieffinzienz“, zur„Förderung der Erneuerbaren Energien“ oder zur „Förderung kleinster, kleiner und mittlerer Unternehmen“. Mehr als 140 Millionen bekommt das südafrikanische Sambia, etwa in Form von Krediten für „die Befähigung zum Klimaschutz“, und einer „Nachhaltigen Stromversorgung“ oder der „Unterstützung der sambischen grenzüberschreitenden Schutzgebiete“. Etwa 290 Millionen fließen an Mosambik, wo Deutschland Investoren dazu ermutigen will, in erneuerbare Energien zu investieren. Das „Programm zur Förderung der beruflichen Bildung“ soll mosambikanische Berufsschulen dabei unterstützen, ihren Schülern ein besseres Ausbildungsangebot zu machen. 

Bei Partnerbeträgen zahlen die anderen Länder häufig zu wenig

Nicht wenige der geldempfangenden Länder stehen dabei auf dem globalen Korruptionsindex weit oben. Der Irak, nach Indien das Land, welches am meisten Zuwendungen erhält, hat etwa den recht hohen Korruptionswahrnehmungsindex von 23. Ähnliches gilt für die Zentralafrikanische Republik und Bangladesch, die ebenfalls Empfänger finanzstarker Entwicklungsprojekte sind. Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung schult seine Mitarbeiter, um „auch in korrupten Arbeitsumfeldern ihre Integrität zu wahren und alle Gesetze und Richtlinien strikt einzuhalten.“ Zudem unterstütze man entsprechende Reformen in den geförderten Ländern. Dennoch urteilte ein internes Gutachten der GiZ im Jahr 2018, daß es „mangelnde Prozesse zur Überprüfung der Mittelverwendung“ gebe. Besonders ließe sich beobachten, daß in Fällen, in denen Partnerbeträge vereinbart seien, sich andere Länder oft nicht an die vereinbarten Zahlungen hielten, berichtete die taz..

Bislang hat die Union noch nicht auf die veröffentlichten Zahlen reagiert. Kurz nachdem sie ihre Anfrage stellte, publizierte sie jedoch ein Positionspapier für eine „neue Zusammenarbeit“ mit Afrika. Demnach solle die deutsche Politik den Kontinent nicht länger bloß als „Krisenherd“, sondern zunehmend als sicherheitspolitischen und wirtschaftlichen Partner betrachten. Während Europa in seiner Zusammenarbeit mit Afrika vor allem auf Entwicklungshilfe setzen würde, bauten China und Rußland ihren Einfluß ganz gezielt aus und bänden dadurch mehrere Länder strategisch an sich. Die deutsche Entwicklungshilfe ziele dabei häufig nicht auf ein dynamisches Wachstum afrikanischer Länder ab. Man müsse sich fragen, „wie wirksam das bisherige entwicklungspolitische Handeln war“.





Die vier teuersten Projekte

210 Millionen Euro gehen im Zusammenhang mit Paris21 an Indien für „Klimafreundliche Urbane Mobilität III“.

Geldgeber: Förderbank Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) (Vorsitzender im Verwaltungsrat: Robert Habeck)

Läuft seit Dezember 2016

206 Millionen Euro gehen an Indien für „Klimafreundliche urbane Mobilität IV“. Insgesamt beträgt der deutsche Finanzierungsbeitrag 353 Millionen Euro.

Geldgeber: Förderbank KfW

Läuft seit Dezember 2016

185 Millionen Euro gehen an den Irak für „Darlehen zur Unterstützung der Rückkehr von Binnenflüchtlingen im Irak“. Insgesamt stellt die KfW Kredite in Höhe von bis zu 500 Millionen Euro zur Verfügung.

Geldgeber: Förderbank KfW

Läuft seit 2016

164 Millionen Euro gehen an Indien für „Nachhaltige Stadtentwicklung /Smart Cities“

Mutmaßlicher Geldgeber: Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. 

Organisator: Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit

Gesamtlaufzeit: Von 2018 bis 2021